Josef Quack

Über den Hochmut gewisser Kleriker




Wenn das Salz schal wird, womit soll man es selber salzen?

Matthäus 5,13

Die folgende Kritik richtet sich nicht gegen die Priester, die, wie vorgeschrieben, würdig und dezent ihr Amt ausüben. Die Kritik gilt vielmehr jenen Priestern, die die Messe und kirchlichen Feiern nicht wie vorgeschrieben, sondern nach eigenem Geschmack gestalten.

Sie danken den Leuten für ihr Kommen, obwohl die Leute natürlich nicht wegen des Pfarrers gekommen sind. Sie danken den Lektoren, daß sie die Bibeltexte vorgelesen haben; den Sängern, daß sie gesungen haben; dem Organisten, daß er die Orgel gespielt hat; den Meßdienern, daß sie zur Hand waren – sie danken für Dienste, die selbstverständlich sind. Und all diese albernen Dankesworte werden dann auch noch von einem törichten Kirchenvolk beklatscht, als wäre man nicht in einer Kirche, sondern im Theater. Ich habe es erlebt, daß ein Pfarrer statt eine Predigt zu halten, einen Lichtbildervortrag gehalten hat. Ein anderer Kirchenmann hat in der Predigt über Yoga geredet und Atemübungen vorgemacht.

Man könnte dazu sagen: Wie der Herr, so das Gescherr, und zur Tagesordnung übergehen. Doch ist dieses selbstherrliche Verhalten jener Kleriker eine ernste Sache, über die zweierlei zu sagen wäre.

♦ Erstens, indem diese präpotenten, sich selbst überschätzenden, ins Pfäffische changierenden Pfarrer die Messe nach ihrem Gutdünken, so engstirnig es sein mag, gestalten, verstoßen sie eindeutig gegen eine ausdrückliche Bestimmung des letzten Konzils.

In der Konstitution über die Liturgie, Sacrosanctum Concilium“ (Nr.22) heißt es: „Das Recht, die heilige Liturgie zu ordnen, steht einzig der Autorität der Kirche zu. Diese Autorität liegt beim Apostolischen Stuhl und nach Maßgabe des Rechtes beim Bischof. / Deshalb darf durchaus niemand sonst, auch wenn er Priester wäre, nach eigenem Gutdünken in der Liturgie etwas hinzufügen, wegnehmen oder ändern.“

Die Folge des eigensinnigen und aufdringlichen Verhaltens der Pfarrer in der Meßgestaltung ist dann auch, daß diese Kirchenleute veritablen Showmastern ähneln, die sich etwas ausdenken und es geschickt zu vermitteln suchen.

Dazu hat Joseph Kardinal Ratzinger in seinem Gesprächsbuch Salz der Erde (1997, 187) sehr richtig, nämlich mit schärfster Kritik bemerkt: „Ich glaube, hier ist eine Art von Klerikalismus entstanden … Dem Priester wird in Person eine Wichtigkeit zugemessen, er muß es geschickt machen und alles gut darstellen können. Er ist das eigentliche Zentrum der Feier.“ Ratzinger bedauert, daß bei uns die Toleranz für Spielereien in der Liturgie unbegrenzt sei. Er sieht in dieser klerikalen Praxis ein Beleg für den selbstverschuldeten Niedergang der Kirche.

♦ Zweitens muß man gegen die eigenwillige Meßgestaltung jener arroganten Kirchenleute einwenden, daß sie die Meßfeier trivialisieren. Dazu schrieb ich schon vor Jahr und Tag: „Heute herrscht in den religiösen Feiern meist eine Stil- und Formlosigkeit, die oft genug ins Alberne abgleitet. Die Grenze zwischen der sakralen und der profanen Sphäre wurde vielfach eingeebnet. Der Sinn für das Sakrale ist verlorengegangen.“ (cf. J.Q., Zur christlicjem Literatur im 20. Jahrhundert S.130.).

Das aber ist der springende Punkt, daß der Sinn für das Sakrale verlorengegangen ist und zwar nicht nur in der säkularen Gesellschaft, sondern gerade auch bei jenen von sich eingenommenen Klerikern. Dieser Faktor aber ist für die Existenz von Kirche und Christentum verhängnisvoll. Sakrale Handlungen sind ein Bestandteil des religiösen Kultes und über die Bedeutung des Kultes für eine Religion hat Jürgen Habermas in seinem letzten großen Werk Auch eine Geschichte der Philosophie (2022) höchst bemerkenswerte Einsichten mitgeteilt.

Er hat in seinem historischen Rückblick festgestellt, daß eine Religion nur überleben kann, wenn sie kultisch praktiziert wird: „Ohne dieses Proprium hätte sich die Religion nicht bis heute eigensinnig gegenüber dem säkularen Denken behaupten können“ (Band 1,180). Anders gesagt, eine religiöse Lehre, mag sie begrifflich noch so intelligent verfaßt sein, ist auf „die Bestätigung durch die praktizierten, das heißt im Kultus ihrer Gemeinden verwurzelten Glaubensüberzeugungen angewiesen“ (Band 2,700). Ich habe übrigens dieses verdienstvolle Werk ausführlich besprochen (cf. J.Q., Ethische Verpflichtung bei Thomas von Aquin S.172-191).

Indem die besagten Kleriker die Meßfeier über die Maßen trivialisieren, unterstützen sie den gesellschaftlichen Trend, der im Verlust des Sinnes für das Sakrale besteht. Sie geben das Beste ihrer Religion auf zugunsten irgendwelcher Verhaltensformen, die nicht mehr feierlich, sondern einfach nur läppisch und banal sind.

Dem braucht man kaum noch hinzuzufügen, daß jene Kleriker gewöhnlich auch recht kleine Geister sind. Das zeigt sich nicht nur darin, daß sie unbelehrbar, d.h. keiner Kritik zugänglich sind und sich offenbar für unfehlbar halten. Indem sie klare Bestimmungen des Konzils wissentlich mißachten, verraten sie auch, daß sie von dem einst vielbeschworenen Geist des Konzils nicht das Geringste halten.

Es überrascht dann auch nicht, daß ihre Predigten überaus kümmerlich sind. Sie sind nicht mal in der Lage, die Lesungen einigermaßen verständlich auszulegen. Sie sind absolut unfähig, sich mit den intellektuellen Strömungen der Zeit auseinanderzusetzen, und man merkt bei jedem ihrer Worte, daß sie eine ebenso kümmerliche theologische Ausbildung genossen haben müssen.

Das aber ist ein weites Feld, über das ich andernorts ein Wort gesagt habe, über den erschreckend unzulänglichen Modetheologen Tomáš Halik und einen leibhaftig existierenden Theologieprofessor, der nichts von Thomas von Aquin versteht, sich aber nicht entblödet, seine hahnebüchene Ignoranz auch noch öffentlich zu machen.

Der selbstverschuldete, von Klerikern und Theologen bewirkte und beschleunigte Niedergang der Kirche ist in unseren Breiten offensichtlich. Ein Hoffnungsschimmer ist das Verhalten des neuen Papstes Leo XIV., der für sich keinen Sonderstatus beansprucht, sich namentlich in die Reihe seiner Vorgänger eingereiht hat und bisher keinen Anlaß für irgendeine Form von Papstkult gegeben hat.

J.Q. 13. Juli 2025

©J.Quack


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