Josef Quack

An der Schwelle der Literatur: Michael Connelly


 

Avis au lecteur — Warnung an den Leser

Bekanntlich gilt für die Besprechung von Kriminalromanen das ungeschriebene Gesetz, daß man niemals die Lösung des Falles verraten darf, um dem Leser nicht die Spannung zu nehmen und die Freude an der Lektüre zu verderben. Im folgenden möchte ich die Qualität einiger Kriminalromane bestimmen und zu diesem Zweck kann ich nicht umhin, die Handlung dieser Romane im Detail zu beschreiben. Ich muß also auch erwähnen, worin die Pointe bzw. die Lösung des jeweiligen Falles besteht. Um nun jenen beachtenswerten Grundsatz des Taktes und der Höflichkeit gegenüber dem Leser nicht zu verletzen, setze ich hier voraus, daß die Leser, die das folgende interessiert, die Romane von Raymond Chandler und Michael Connelly, die ich analysieren werde, schon kennen. D. h. andererseits, daß die Leser, die diese Romane noch nicht kennen, sie unbedingt lesen sollten, bevor sie meine Besprechung lesen. So, denke ich, läßt sich das Dilemma am besten lösen.

Wenn ein Buch, gleich welchen Genres, eine gewisse Intensität der künstlerischen Darstellung erreicht, wird es Literatur. Diese Intensität kann sich im Stil zeigen, in der Situation, in den Charakteren, im inneren Ton oder in der Idee, oder in einem halben Dutzend anderen Dingen. Sie kann auch in der Vollkommenheit der Kontrolle über den Handlungsverlauf bestehen, ähnlich der Kontrolle, die ein großer Werfer beim Baseball über den Ball hat.

R. Chandler

I.

Michael Connelly gehört zu den gezählten amerikanischen Thrillerautoren, die man lesen kann, ohne daß man sich hinterher entlausen müßte, um eine Wendung aus dem Film Die zweite Chance aufzunehmen. Seine Romane sind spannend, sie werfen ein grelles Licht auf die sozialen Verhältnisse in Los Angeles und Umgebung, sie bereiten für einige Stunden Vergnügen, ohne die menschliche Intelligenz zu beleidigen und ohne daß man sich düpiert fühlen müßte. Mißt man sie jedoch an den strengen Maßstäben der Kunst, dann muß man feststellen, daß sie an der Schwelle der Literatur verharren, aber niemals diese Grenze zu überschreiten vermögen. Anders gesagt, es sind recht solide geschriebene Reportageromane, aber doch keine vollgültigen Romane oder epischen Kunstwerke, die den Namen verdienen, wie es zum Beispiel die Maigret-Romane von Georges Simenon, die Romane von Dashiell Hammett, die Nero-Wolfe-Geschichten von Rex Stout oder die Kriminalromane von Raymond Chandler sind ( J.Q. Die Grenzen des Menschlichen).
Was unter literarischer Qualität, die einen Roman zu einem Kunstwerk im strengen Sinn macht, zu verstehen ist, hat Chandler in den Sätzen des Mottos zu diesem Artikel recht genau beschrieben. Ich berufe mich hier nicht nur aus sachlichen Gründen auf Chandler, sondern auch deshalb, weil Connelly durch die Lektüre der Romane Chandlers angeregt wurde, selber Romane zu schreiben. Connelly ist seinem Vorbild vielleicht nahegekommen, doch hat er niemals dessen Niveau erreichen können, selbst wenn man berücksichtigt, daß auch Chandlers Werke einige empfindliche Schwachstellen aufweisen, die übrigens dem Autor selbst durchaus bewußt waren.
Kurz gesagt, zeichnen sich die Romane Chandlers durch drei Merkmale aus: es gelingt ihnen, die Atmosphäre der großstädtischen oder ländlichen Szene eindringlich zu schildern; die Personen werden durchweg anschaulich beschrieben, wenngleich der Ich-Erzähler Philip Marlowe letztlich die einzige Person ist, die wirklich glaubwürdig erscheint, und schließlich versteht es Chandler, lebendige, witzige Dialoge zu schreiben, worin sich übrigens seine Begabung als Drehbuchautor verrät.
Zum ersten Merkmal wären ein paar Worte hinzuzufügen. Siegfried Kracauer hat in seinem hellsichtigen "philosophischen Traktat" über den Detektiv-Roman (1925) die wahrhaft existentielle Bedeutung der Hotelhalle für die Erlebniswelt der Personen dieses Genres genauestens untersucht. Chandler aber hat in einer unvergeßlichen Szene seines letzten Romans, Playback (1958), der eindringlichsten Szene, die er je beschrieben hat, das anschaulichste, treffendste literarische Beispiel für Kracauers These geliefert. Hellsichtig ist übrigens jener Traktat deshalb, weil er in der Theorie bestimmte Entwicklungen des Detektivromans vorweggenommen hat, die erst Jahre später realisiert wurden.
So beeindruckend Chandlers stilistische Vorzüge sind, so wenig lassen sich die Schwächen seiner Erzählkunst übersehen. Er hat selbst eingeräumt, daß es ihm sehr schwerfällt, eine einigermaßen schlüssige Handlung zu konstruieren, und daß er das Stilmittel des Vergleichs über das erträgliche Maß hinaus strapaziert hat.
Ich will nur an die fragwürdige Fabel, den Handlungszusammenhang, einiger seiner berühmtesten Romane erinnern. Sein erster Roman, Der große Schlaf (1939), mutet dem Leser eine Geschichte zu, die bei genauem Hinsehen absolut unglaubwürdig ist: Eine junge, psychopathisch veranlagte Frau ermordet die Männer, die sich weigern mit ihr zu schlafen, und zwar ist sie im Augenblick der Tat in einem geistig verwirrten, schizophrenen Zustand, der an einen epileptischen Anfall erinnert. Dieses Mordmotiv und diese Art des Mordens ist so abwegig, daß kein vernünftiger Leser sie jemals ernstnehmen konnte.
Auch in The Lady in the Lake (1943) ist es wiederum eine Frau, die sich als Mörderin entpuppt. Eine Krankenschwester ermordert aus Eifersucht die Frau des Arztes, dem sie zuneigt, dann ermordet sie eine Nachbarin, um nicht entdeckt zu werden, und schließlich tötet sie aus dem gleichen Grund den Freund dieser Nachbarin. Dieser Zusammenhang wird mehr oder weniger vage erschlossen, nicht aber genauer begründet. Ganz unwahrscheinlich ist der folgende Umstand: ein geübter Polizeidetektiv soll einen auffälligen Schal, der ausdrücklich wegen seiner Auffälligkeit als Erkennungszeichen gewählt wurde, in einem Zimmer übersehen haben, in dem der Detektiv sich längere Zeit aufgehalten und versteckt hatte. Dieses Detail ist der größte fachliche Fehler, den ich bei Chandler entdeckt habe.
In seinem berühmtesten Roman, dem Langen Abschied (1954), stellt sich ein weiteres Mal heraus, daß der gesuchte Mörder eine Frau ist. Sie tötet auf bestialische Weise die Ehefrau ihres früheren Mannes und schließlich ihren zweiten Mann, der sich gelegentlich mit jener Frau amüsiert hat. Der Kern dieser Motive wird wiederum nur oberflächlich angedeutet, aber nicht eigentlich glaubwürdig beschrieben oder erklärt.
In diesem Roman spielt auch die Trunksucht, der Alkolismus als Mittel der Betäubung und des Vergessens, eine prominente Rolle, wie dies nur in einem Land möglich ist, das geistig oder moralisch bis heute von einem untilgbaren Puritanismus geprägt ist. Puritanismus bedeutet hier, daß die Menschen dieser Einstellung im Grunde jedes menschliche Vergnügen, vor allem aber Sex und Trinken, selbst dann für sündhaft halten, wenn sie sich selbst als religiös indifferent oder gar als Atheisten betrachten, und es ist evident, daß die übergroße Aufmerksamkeit, die diese Dinge in den amerikanischen Bestsellern finden, letztlich puritanisch motiviert ist. Daß hier Verbotenes ans Licht gebracht wird, ist die eigentliche Würze der Beschreibung für die puritanischen Konsumenten. Was Chandler in diesem Punkt zum Besten gibt, sind die erotischen Träume eines Puritaners. Auch Connelly verhält sich nicht viel anders, wenn er häufiger und detaillierter als nötig ungewöhnliche Sexualpraktiken aufs Tapet bringt. Nicht besonders appetitlich ist sein Roman Die Frau im Beton (1994), wo er sich allzu beredt über das Pornomilieu ergeht. Auch vertritt er hier die kindliche, uramerikanische Irrlehre, daß die Psychoanalyse eine ernstzunehmende Wissenschaft sei.
Schließlich will ich noch eine Kleinigkeit erwähnen, die bei der Verdeutschung der Romane Chandlers seit Jahrzehnten unangenehm auffällt. Es ist da häufig von „hartgesottenen“ Kerlen die Rede, was ein literarisches Klischee ist. Kein Mensch verwendet dieses Adjektiv in der deutschen Umgangssprache und kein Mensch stellt sich anschaulich vor, was diese Metapher eigentlich bedeutet. Das Wort ist ein Beleg für Chandlers These, daß mancher Slang eine Erfindung von Romanciers ist und keineswegs eine Ausdrucksweise des tatsächlichen Sprachgebrauchs.
Wenn man die Sache erzähltheoretisch betrachten möchte, so kann man bei Chandler folgendes Ergebnis festhalten. Der Detektivroman ist eine Gattung, in der zwei Erzählungen miteinander verbunden sind: die Geschichte der Aufdeckung eines Verbrechens und die Geschichte des Verbrechens selbst. Erzählt wird, wie ein Verbrechen enthüllt wird, und erzählt wird, wie das Verbrechen begangen wurde (J.Q. Die Grenzen des Menschlichen S.24.) Bei Chandler liegt der Hauptakzent eindeutig auf der Geschichte der Enthüllung des Verbrechens, nicht auf der Geschichte des Verbrechens selbst. Die Geschichte der detektivischen Arbeit ist meist vorzüglich geschildert, während der Vorgang des Verbrechens fast immer konstruiert erscheint und wenig glaubwürdig ist.

II.

Objektiv betrachtet, ist Michael Connelly gegenüber Chandler im Vorteil. Chandlers Hauptfigur ist ein Privatdetektiv, der innerhalb der realen Gesellschaft einer fragwürdigen und immer wieder zu rechtfertigenden Tätigkeit nachgeht, während Connellys Hauptfigur, Harry Bosch, ein Polizist ist, dessen Beruf keiner besonderen Rechtfertigung bedarf. Doch kann Connelly diesen Vorteil in literarischer Hinsicht nicht zu seinen Gunsten nutzen, weil seine schriftstellerische Begabung nun mal nicht an das Talent Chandlers heranreicht. Um das wenigste vorwegzunehmen, Connellys Romanfiguren haben ungefähr die flache Konsistenz von Tapetenmustern.
Seine Stärke ist die Beschreibung der polizeilichen Routinearbeit, die genaue Schilderung des detektivischen Handwerks, die sachgemäße Aufnahme eines Tatortes, die Untersuchung und Dokumentation der äußeren Umstände, die Befragung der Zeugen und ähnliches mehr. Was Connelly in dieser Hinsicht zu bieten hat, ist gewiß informativ und in bestimmten Grenzen auch durchaus fesselnd, wie überhaupt jede wirklich sachgerechte Beschreibung handwerklicher Tätigkeit einen epischen Anstrich aufweisen kann. Was Connelly in diesem Punkt aber tatsächlich leistet, geht selten über die Qualität eines Zeitungsberichts, einer bieder-trockenen Reportage hinaus. Die Reportage aber ist ein Genre der Gebrauchsliteratur, das nur in seltenen Ausnahmefällen, wenn sie glänzend geschrieben ist und unerwartete Aspekte der gesellschaftlichen Wirklichkeit aufdeckt, die Stufe der Literatur im strengen Sinn erreicht. Um mit Chandlers Worten zu reden, Connelly ist es nicht gelungen, der Reportage, seinem bevorzugten Schreibmodell, jene Intensität zu geben, die seine Romane erst zu wahren Kunstwerken gemacht hätten.
Dem muß man hinzufügen, daß Connelly es zwar nicht mit Chandlers Stil- und Beschreibungskünsten aufnehmen kann, daß seine Romane andererseits aber ähnliche Schwächen der Konstruktion aufweisen wie die Werke Chandlers. Genau betrachtet, ist in den von ihm erzählten Geschichten doch manches schwer zu glauben. So wird in Schwarzes Echo (1992) dem Leser die Annahme zugemutet, daß ein leitender FBI-Agent der gesuchte Mörder in einer Mordsache ist, an deren Untersuchung er selbst beteiligt ist. Außerdem soll eine FBI-Kollegin, die mit Harry Bosch den Fall konkret bearbeitet, ebenfalls am Rande mit den involvierten Verbrechen zu tun haben. Wie das im einzelnen zusammengeht, die Ermittlung der Umstände der Verbrechen und die Beteiligung der ermittelnden Personen an den Verbrechen, wird nüchtern gesehen niemals so recht plausibel gemacht. Daß Bosch einige Anzeichen übersieht, die auf den gesuchten Mörder verweisen, paßt auch nicht so richtig in die Geschichte der detektivischen Arbeit und zu seinem Ruf als Meisterdetektiv. Kurzum, dieser Roman kann einen passionierten, d.h. aufmerksamen Leser kaum überzeugen.
Bemängeln muß man auch die Handlungskonstruktion in Dunkler als die Nacht (2001). Hier stößt ein wegen seiner Sachkenntnis berühmter, ehemaliger FBI-Mann auf ein Tatmuster, das auf den Maler Hieronymus Bosch hindeutet. Er schließt daraus messerscharf, daß der Polizeidetektiv Harry (Hieronymus) Bosch der Tat verdächtig sei. Selbstverständlich weiß jeder Krimileser, daß bei dieser Sachlage nicht der Meisterdetektiv Bosch das Verbrechen begangen hat, daß vielmehr die Umstände so arrangiert wurden, daß der Verdacht auf ihn fällt.
Ein dritter Fehler ist in Vergessene Stimmen (2005) enthalten. Die Pointe der Geschichte besteht darin, daß die Polizei in einem ungelösten Fall das Alibi eines Verdächtigen nicht genau überprüft, d.h. seine Kontaktperson zum Zeitpunkt des Mordes, nicht identifiziert hat. Ein grober Anfängerfehler, der in einem durchorganisierten Polizeiapparat nicht vorkommen dürfte.
Wer es genau wissen möchte, kann festhalten, daß die Schnitzer, die ich genannt habe, Fehler in der Geschichte der Ermittlung sind. Sie wirken deshalb besonders störend, weil Connelly den größten Wert auf die tatsächliche Erfahrung in der Polizeiarbeit legt, und er erklärt durchaus glaubhaft, daß viele Mörder in dem großstädtischen Milieu seiner Romane sich in irgendeinem Punkt einfach dumm und blöd verhalten, so daß die Tat oft in den ersten beiden Tagen aufgeklärt werden kann. Diese Erfahrungstatsache kann aber natürlich die Konstruktionsfehler seiner Romane nicht rechtfertigen.
Ein ständig wiederkehrendes Thema seiner Geschichten ist der Umstand, daß die gesuchten Mörder Polizisten sind, was nur der extreme Beleg für die Tatsache ist, daß die Polizei des Landes selbst durch und durch korrupt, käuflich und kriminell ist. Die Folge ist, daß die Polizisten es ständig mit der internen Dienstaufsicht zu tun haben. Bosch muß sich fast immer gegen die Polizisten wehren, die die anderen Polizisten überwachen. Und deren Verdacht ist nicht selten durchaus begründet.
In Das Comeback (1997) ist der gesuchte Mörder wiederum ein Polizist und zu allem Überfluß betätigt sich ein Captain der Polizei als Zuträger der Mafia in Las Vegas. Dieses Motiv wird in Schwarzer Engel (1998) auf die Spitze getrieben, wo ausgerechnet ein Polizist der Internen Kontrolle sich als der Übeltäter entpuppt. Außerdem kommt hier die gewohnheitsmäßige Brutalität der amerikanischen Polizei, die wir aus Chandlers Romanen und vielen anderen Krimis kennen, deutlich zur Sprache, ihr erschreckender Rassismus, der in Los Angeles wiederholt zu Plünderungen und Straßenkrawallen geführt hat.
In diesem Roman kommt Connelly seinem Ideal am nächsten, das Flair, die Atmosphäre dieser unförmigen, von Autobahnen beherrschten Metropole zu schildern. Freilich besitzt er nicht wie Simenon oder selbst Chandler die Gabe, das unverwechselbare geistig-emotionale Klima, die eigenartige Stimmungslage einer Stadt, einer Landschaft, einer Szene vergegenwärtigen zu können.
Immerhin beleuchten seine Geschichten recht scharf die Nachtseiten des american way of life, die deklassierten Randfiguren einer Konkurrenz- und Mediengesellschaft, die einem billigen Star- und Heldenkult frönt. Die amerikanische Gesellschaft, die Connelly beschreibt, ist eine vom Konkurrenzprinzip total beherrschte Gesellschaft. Alle menschlichen Beziehungen, auch die beruflichen Verhältnisse der mit Fertiggerichten gemästeten Polizei und ihr klägliches Intimleben, sind vom Konkurrenzdenken geprägt, einem auf kommerziellen Erfolg ausgerichteten, karrieristischen Wettbewerbsdenken. Das Leben dieser Städtebewohner ist nichts anderes als ein darwinischer Kampf ums Überleben. Die reale Folge dieser gesellschaftlichen Bedingung ist eine unbeherrschte Gewalttätigkeit, die wiederum alle menschlichen Bereiche tangiert, und eine äußerst stupide Geistigkeit, die in dem primitiven, rauhen Umgangston, der wortarmen, kläglichen Sprache der Romandialoge zum Ausdruck kommt.
Diese Geistesarmut, die sprachliche und intellektuelle Primitivität mag der gesellschaftlichen Wirklichkeit entsprechen — auf die Dauer ist die realistische Wiedergabe dieser Stupidität in den Romanen (und Filmen) doch ermüdend und zum Gähnen langweilig. Realismus im Roman bedeutet nun mal nicht, daß man die Alltagsrede, das ärmlichste Gewäsch, dokumentarisch getreu wiedergibt. Ein Dialog, der nur aus O.K. und Scheiße besteht, ist nicht gerade das, was wir von einem Film oder einem Roman erwarten. Ich will damit nicht behaupten, daß Connellys Dialoge auf dieser Schwundstufe stehen, doch besonders originell sind sie sicher auch nicht.
Daß hier wiederum eine Schwäche des Romanciers vorliegt, erkennt man auch daran, daß es Connelly trotz mehrfacher Versuche und Anläufe nicht gelingen will, seinem Protagonisten so etwas wie ein geistiges Innenleben, einen moralischen Charakter zu verleihen. Mehrfach hören wir, daß es die „Mission“ Boschs sei, das Verbrechen aufzudecken und wenigstens auf diese Art für ausgleichende Gerechtigkeit zu sorgen. So recht glaubhaft wird dieser Gedanke aber nicht, Connelly kommt auch in diesem Punkt über ein nüchternes reportagehaftes Protokoll nicht hinaus.
Auch ist nur zu evident, daß er den literarischen Ehrgeiz hat, im sprachlichen Ausdruck dasselbe wiederzugeben und sinnlich-anschaulich zu vergegenwärtigen, was der originellste amerikanische Maler, Edward Hopper, in seinen Bildern so eindringlich dargestellt hat: Ortschaften der tiefsten, unüberwindlichen menschlichen Einsamkeit. Ein klassisches Bild aus seiner Hand zeigt die kühle, neonbeleuchtete Schönheit einer leeren Bar am frühen Abend. Was Hopper im Gemälde darstellt, haben Chandler und Graham Greene in mustergültigen Worten unvergeßlich zum Ausdruck gebracht. Dergleichen zur Sprache zu bringen, war Connelly, wie jedermann leicht feststellen kann, aber nicht gegeben.
Die Übersetzungen sind nicht mehr als billige Gebrauchsware, dröges Deutsch mit einigen Amerikanismen, wo die Übersetzer nicht wußten, wie die Wendungen auf deutsch heißen. Ärgerlich besonders, daß sie „Typ“, ein Wort, das stark dekliniert wird: des Typs, dem Typ, den Typ, durchweg schwach deklinieren — so wie die nachlässige Umgangssprache und der allerneueste, zur Dummheit bekehrte Duden es derzeit will. Schande auf ihr Haupt!

J.Q.  26. April 2014

©J.Quack


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