Josef Quack

Divertimento über die Langeweile, viel gescholten, wenig gewürdigt




Langeweile ist ein böses Kraut,
Aber auch eine Würze, die viel verdaut.

J.W. Goethe

In Simone de Beauvoirs Autobiographie lesend, stieß ich auf eine für die Autorin charakteristische Wendung. Sie hatte ein kurzzeitiges leidenschaftliches Verhältnis mit dem amerikanischen Schriftsteller Nelson Algren. Bei einem Besuch in Chicago wurde die Freundschaft aber gestört, als de Beauvoir früher als vorgesehen nach Paris zurückkehren mußte. Dazu bemerkt sie: „Algren schrieb mir nicht. Ich schickte ihm ein Telegramm, das er nicht beantwortete. Ich beschloß, ihn vorläufig zu vergessen. Ich hatte diese Traurigkeit satt.“ Und sie wendet sich den Forderungen der Gegenwart zu (Der Lauf der Dinge 1970, 163).

Diese kleine Episode zeigt also, daß die Autorin ihren Kummer über das anhaltende Schweigen des Freundes mit der Zeit langweilig fand, die Affäre vergaß und sich anderen Dingen zuwandte. Die Macht der Langeweile hat sie von ihrer bedrückten Stimmung befreit und sie auf eine bessere Bahn gebracht. Zweifellos ein Lob der Langeweile, wie man es nur selten finden kann.

Nicht weniger stark aber haben mich die Beispiele von Autoren beeindruckt, die gleichsam von Natur aus das Dasein als derart unbefriedigend erlebten, daß sie in Schwermut verfielen, aber ein Mittel fanden, den Zustand zu überwinden. Sie ließen sich nämlich von dieser schlimmen Langeweile anregen, ein gewichtiges Werk von großen Ausmaßen zu unternehmen.

Dr. Johnson war ein Mann dieser Art. Von ihm schreibt sein Biograph James Boswell: „Auf Jahre hinaus müssen wir uns Johnson nun mit dieser Arbeit am Wörterbuch der englischen Sprache beschäftigt vorstellen, deren Dauer und Regelmäßigkeit besser als alles andre geeignet war, jener angestammten Schwermut entgegenzuwirken, die ständig im Hintergrund lauerte und seine Gemütsruhe zu stören drohte.“ (Dr. Samuel Johnson 1951, 86.) In seinem Wörterbuch hat er dann seine Beschäftigung unter dem Stichwort „Lexikograph“ ironisiert: „Verfasser von Wörterbüchern, ein harmloser Fronknecht“.

Muß man es nun Zufall nennen oder einen psychologischen Grund dafür annehmen, daß das berühmte französische Wörterbuch sein Entstehen einem ähnlichen Motiv verdankt, der Langeweile Herr zu werden? Emile Littré, der Verfasser des monumentalen Dictionaire de la langue française fragt: „Können Sie sich vorstellen, wie traurig man sein mußte, um ein Lexikon zu verfassen?“ Um mir die Mühe der lexikographischen Arbeit anschaulich vorzustellen, denke ich an das renomierte Griechisch-deutsche Handwörterbuch von W. Pape. Um die dritte Auflage (1880) der zwei engbedruckten doppelspaltigen Bände von zusammen dreitausend Seiten zu bearbeiten, brauchte der Herausgeber fünf Jahre, eine penible, höchste Aufmerksamkeit und Präzision erfordernde Mönchsarbeit bei Kerzenlicht oder Petroliumlampe.

Ich weiß nicht, ob man für die einzigartige Produktivität Georges Simenons einen ähnlichen Faktor ansetzen kann wie bei diesen Sprachwissenschaftlern. Das kreative Moment bei Simenon kann jedenfalls auf diese Art nicht erklärt werden.

So viel oder so wenig zu den persönlichen Sorgen genialer Männer und ihrem Bemühen, ihrer Malaisen Herr zu werden. In unserem Alltag geht es um bescheidenere Dinge. Doch auch wir anderen haben unsere Sorgen und Plagen, die beachtet und kuriert werden wollen.

In der guten alten Zeit, als die puritanische Intoleranz gegen das Rauchen noch nicht die öffentliche Meinung beherrschte und die diversen Ordnungsämter noch nicht diverse Rauchverbote aussprachen, war das einfachste und bequemste Mittel gegen die Langeweile eine Zigarette, ein fünf bis zehn Minuten lang wirksames Stimulans. Als Gegengift gegen die widrige Langeweile wurde das Rauchen hier als Genußmittel genossen, als Spender von Lust, aber wegen der Dauer von wenigen Minuten oft gewaltig unterschätzt.

In bestimmten Situationen, nach quälender Langeweile oder Stunden höchster Anspannung kann ein Zug aus der Zigarette ein Augenblick tiefster Zufriedenheit oder ein Moment der höchsten Entspannung und Erleichterung sein. In beiden Fällen wird der einzigartige Wert des Augenblicks im existentiellen Sinn erlebt, die beglückende Intensität einer kleinen Zeitspanne, die Stunden oder Tage, wenn nicht sogar Jahre monotonen Lebens aufwiegen kann. Der Augenblick in diesem Sinn ist kein beliebiger Zeitpunkt, sondern ein Moment klarsten Selbstbewußtseins und stärksten Lebensgefühls.

Daß auch eine Zigarette einem wahren Epikureer ein Höchstmaß an Genuß bieten kann, habe ich bei einem alten Franzosen erlebt, kein Intellektueller, der in diesen Dingen theoretisch bewandert gewesen wäre, sondern ein pensionierter Grubeningenieur, ein nüchterner Mensch, dem Geistesflüge völlig fremd waren. Doch verstand er sich ausgezeichnet auf die joie de vivre, die Lebensfreude. Sonntags nach einem keineswegs üppigen, aber sorgfältig zubereiteten, erlesenen Mahl trank er nach einem winzigen Mokka einen Likör und rauchte dazu die einzige Zigarette der Woche, und zwar eine starke ägyptische Zigarette mit schwarzem Tabak und ohne Filter. Das war der höchste Grad des Genusses, den dieses Medium überhaupt bieten kann, und das Beispiel eines Epikureers, der weiß, daß die höchste Lust nur durch rare Dosierung, durch seltenen Konsum zu erreichen ist.

Das andere Extrem des Rauchens, das dann die ganzen Chose in Verruf gebracht hat, ist das Kettenrauchen, wo die Zigarette zur Droge und zum Suchtmittel wird. Ich wage nicht zu entscheiden, ob man zu dieser Kategorie des Rauchens auch die Gewohnheit mancher Schriftsteller rechnen soll, die Kettenraucher sind, weil sie ohne Zigarette nicht schreiben können, das Rauchen also anscheinend doch weder Genuß- noch Suchtmittel ist, sondern eine schlechte, aber unaufgebare Gewohnheit beim Arbeiten. Friedrich Torberg hat diesen Fall am eigenen Beispiel in dem doch wohl nur scheinbar witzigen Artikel beschrieben: „Auch Nichtraucher müssen sterben“, so auch der Titel des Buches mit diesem Artikel.

Von diesem Typ des Rauchers muß man wiederum jene Zeitgenossen unterscheiden, die das Rauchen letztlich nur nachahmen, aber eigentlich nicht darauf angewiesen sind. Dies dürfte der Fall vieler Jugendlicher sein, die rauchen, weil es chic und cool ist, obwohl ihnen die Zigarette oder gar die Pfeife eigentlich gar nicht schmeckt.

So bekennt auch Simone de Beauvoir in den Kriegsjahren: „Der Verzicht auf den Tabak fiel mir nicht schwer, denn ich mochte ihn eigentlich gar nicht. Ich zündete mir bei der Arbeit Zigaretten an, um die Zeit zu skandieren, aber inhalierte nicht.“ (In den besten Jahren 1980, 431). D.h. sie rauchte, um das Schreiben dadurch zu erleichtern, daß sie es in kleinere Etappen einteilte. Dann aber heißt es offen und ungeniert: „Sartre litt viel stärker unter dieser Einschränkung. Auf der Straße, unter den Bänken des ‚Trois Mousquetaires‘ sammelte er Kippen auf, mit denen er seine Pfeife stopfte. Er brachte es aber nicht über sich, sie mit Kräutertee auszufüllen, den gewisse Fanatiker verwendeten und der das ‚Flore‘ wie eine Kräuterhandlung duften ließ.“ Übrigens erinnere mich, daß in den siebziger Jahren, als der reine Tabak in Verschiß zu geraten begann, von naturbegeisterten Gesundheitsaposteln Kräutermischungen als Rauchkraut angeboten wurden. Damals wurde das Rauchkraut von Franz Josef Degenhart ein letztes Mal besungen.

Zu erinnern wäre noch, daß die Zigarette eines der leichtesten Mittel war, mit Fremden ins Gespräch zu kommen und eine Verbindung anzuknüpfen. Dazu bot schon die Anstandsregel die beste Gelegenheit, einer Frau, die rauchen will, Feuer zu geben. „Haben Sie Feuer?“ war der beste Ansatz, sich mit jemand bekannt zu machen, und die beste Methode, seine Sympathie zu bekunden, war jemand eine Zigarette anzubieten, was in dem Film von John Frankenheimer Ronin zwischen Robert de Niro und Jean Reno schönstens präsentiert wird.

Auch Brecht gehörte zu den Autoren, die zum Schreiben das Rauchen brauchten. In seinem finnischen Exil notiert er im Juni 1940 in seinem Arbeitsjournal: „Hier geht der Kaffee nun aus, der Zucker wird knapp, Zigarren (für mich Produktionsmittel) werden unerschwinglich.“ Hier sollten Nichtraucher wissen, daß Zigaretten inhaliert, d.h. über die Lunge geraucht werden, nicht jedoch Zigarren und die Pfeife, die ihre eigenen Gefahren haben, aber doch nicht ganz so schädlich sind wie jene.

Dafür aber sind Zigarren erheblich teurer als Zigaretten, und so ist es völlig unglaubwürdig, daß William Holden als Hauptmann in dem Western Verrat im Fort Bravo eine 15cm-Zigarre nach den ersten Zügen wieder ausdrückt. Diesen Luxus konnte sich ein schlecht bezahlter US-Offizier damals überhaupt nicht leisten. Nach 20 Dienstjahren erhielt ein Captain nicht mehr als 233 Dollar im Monat (Joe Hembus, Westerngeschichte 1981, 278).

Das schönste Lob aber, das jemals dem Rauchen der Zigarre gespendet wurde, findet sich in einem Roman von Bulwer-Lytton: "Wer nicht raucht, hat entweder keine großen Kümmernisse erfahren, oder aber, er versagt sich selbst den lieblichsten Trost, nächst dem, der recte vom Himmel kommt. / ‚Wie? lieblicher als FrauenGunst?', flüstert wohl der Junge Leser? – Junger Leser; 'Die Frau' plagt nicht minder, als sie zu trösten imstande ist. Die Frau schafft zur Hälfte jene Sorgen, zu deren Stillung sie das Privileg zu besitzen prahlt." (Was wird er damit machen? Dt. A. Schmidt. 1975, 43.)

Das Rauchen im Film ist ein eigenes, nur betrüblich zu nennendes Kapitel, weil in den neueren Filmen überhaupt nicht mehr richtig geraucht wird. Die Stars zünden sich eine Zigarette an, um sie uninhaliert nach dem ersten Zug wieder auszudrücken. In älteren Filmen aus Hollywood war nur zu offensichtlich, daß die Regisseure und Schauspieler nichts von Pfeiferauchen verstanden. Gary Cooper rauchte in dem Garten des Bösen von Henry Hathaway Pfeife, während er ritt! Nicht nur eine unentschuldbare Stillosigkeit, sondern auch ganz unpraktisch. Und Gregory Peck raucht in dem Kriegsabenteuer Die Seelöwen kommen von Andrew V. McLagen eine Pfeife, die er auch beim Sprechen nicht aus dem Munde nimmt, was zumindest unhöflich ist. Jack Palance nimmt in Chatos Land von Michael Winner seine Maiskolbenpfeife nur zum Schlafen aus dem Mund. Den Gipfel der Unwissenheit in Sachen Pfeiferauchen kann man in Don Siegels Großen Coup besichtigen, wo Joe Dan Baker ständig eine klotzige Pfeife im Munde führt, für die man ein Stahlgebiß haben müßte. Auch weiß er nicht, daß man eine Pfeife nach dem Rauchen acht Tage liegen lassen muß, bevor man sie wieder stopft und raucht.

Zudem wissen diese Hollywood-Raucher nicht, daß man Zigarren und Pfeife nicht hastig oder mit trockenem Tabak rauchen sollte, damit der Rauch nicht auf der Zunge brennt. Um zu lernen, wie man richtig und mit Genuß Pfeife raucht, hätten diese Figuren bei Maigret in die Schule gehen sollen, der die Sache wirklich versteht.

Man könnte es ein Paradox nennen, daß das Pfeiferauchen, dieser andauernde Genuß des Tabaks und zuverläßliche, geruhsame Helfer gegen die Langeweile, zudem den glücklichen Vorteil hat, daß man es schmerzlos auf Anhieb mit einem einzigen Willensentschluß für immer aufgeben kann – dann nämlich, wenn es einem nicht mehr schmeckt. Ich kann dies aus eigener Erfahrung bestätigen und Sigismund von Radecki beipflichten, der dasselbe von sich berichtet.

Diese Möglichkeit, eine vermeintlich oder tatsächlich ungesunde Gewohnheit willentlich, wenn’s einem beliebt, aufzugeben, ist aber nicht nur beim Rauchen gegeben. Denn Ernst Jünger, Autor der Annäherungen, einer Schrift über Drogen und Rausch, Experte in diesen Dingen, weist auf die erstaunliche, ganz unerwartete Erfahrungstatsache hin, daß auch beim Drogenkonsum der Punkt kommen kann, „an dem der Leerlauf droht.“ (Siebzig verweht 1997, Bd. 5,58) Gemeint sind in dieser Beobachtung geistig Neugierige, die Drogen nehmen, um neue Erlebnisse oder phantastische Eindrücke zu gewinnen. Ihnen also können die Rauscherlebnisse langweilig werden, so daß sie den Drogenkonsum von heute auf morgen ohne Bedauern und weitere Folgen einfach aufgeben. Wenn es je ein Beispiel für die günstige Wirkung der Langeweile gab, dann dieses.

Diesen Fall im Auge, kann man dann auch Radecki darin nur zustimmen, daß er die Langeweile neben dem Hunger und der Liebe zu den großen, elementaren Triebkräften des menschlichen Lebens rechnet, denen er die drei „metaphysischen Regungen“ unseres Körpers zuordnet: Weinen, Lachen und Gähnen. „Das Gähnen ist das große Symbol der Langeweile“ (Die Welt in der Tasche 1958, 65).

Damit wird die überaus heikle Frage berührt, wann Kunstwerke als langweilig zu bewerten sind, erklärt doch Voltaire mit aller Bestimmtheit über Kunst und Literatur: „Alle Gattungen sind gut, außer die langweilige Gattung.“ Wann aber ist ein Werk oder, allgemeiner gesagt, eine Schrift langweilig? Um die Frage zu beantworten, ist es nützlich, mit Schopenhauer zwischen objektiver und subjektiver Langweiligkeit zu unterscheiden. Unter objektiver Langweiligkeit versteht er die „Geistlosigkeit der Schriften der Alltagsköpfe“, die unklar schreiben und im Grunde nichts Rechtes zu sagen haben. Das betrifft die langweilige Gattung, die Voltaire meint. Die kurzweiligen Schriften aber stammen von geistreichen Autoren, die in klaren Worten deutliche Gedanken oder Erkenntnisse mitzuteilen haben. Die subjektive Langweiligkeit aber hat nach Schopenhauer „ihren Grund im Mangel an Interesse beim Leser; dieser aber in irgendeiner Beschränktheit desselben.“ (Über Schriftstellerei und Stil).

Um ein sprechendes Beispiel aus unserem Geistesleben zu nennen: Wie man wissen kann, enthalten die großen Romane Prousts oder Musils, die meisten Romane Döblins und sogar mancher Roman Bölls einen philosophischen Aspekt. Wer nun keinen Sinn für philosophische Fragen hat, wird diese Romane nicht verstehen und infolgedessen langweilig finden. So geschehen in unserem Rezensionswesen von namhaften Kritikern und in der Literaturgeschichte von wenig kompetenten Philologen.

Die Aufnahme eines Werkes der Kunst oder des Geistes im allgemeinen aber hängt von der Disposition und Einstellung des Lesers oder Betrachters ab, nach dem Grundsatz: „Quidquid recipitur, ad modum recipientis recipitur (Was verstanden wird, wird nach Art des Verstehenden verstanden) oder mit Lichtenbergs Worten: „Ein Buch ist ein Spiegel. Wenn ein Affe hineinschaut, kann kein Apostel heraussehen.“

Der Prince de Ligne, im 18. Jahrhundert ein belgischer General in österreichischen und russischen Diensten, ist durch das ungewöhnlich stolze, ein wenig überheblich klingende Wort bekannt geworden: „Je ne m’ennuie jamais, ce sont les autres qui m’ennuient.“ (Ich langweile mich niemals, es sind die andern, die mich langweilen). Ich möchte wissen, was in seinem Kopf vorging, als er diesen selbstbewußten, die geistige Autarkie betonenden Ausspruch tat. Wie dem auch sei, er war kein Mann, der die Gesellschaft, den Spieltisch, die Jagd oder das Reisen suchte, um sich zu zerstreuen. Er konnte sozusagen aus eigenen Ressourcen zufrieden leben.

Der Dresdener Philologe Victor Klemperer, Verfolgter des NS-Regimes, wurde 1950 Abgeordneter des Ostberliner scheindemokratischen Parlaments, das ihn maßlos enttäuschte, wie er in seinem Tagebuch festhält: „Zeitvergeudung langweiligster Art, leerstes Repräsentationsspiel: die Volkskammer.“ (8. Nov. 1950) Er notiert, daß hier und auf Parteitagen immer wieder stundenlange Reden gehalten wurden, die alle dasselbe sagten, ödeste Phrasen.

Vierzig Jahre später hat man beobachtet, daß der Ostblock nicht nur deswegen verfiel, weil die Regime mit ihrer Planwirtschaft am Ende und bankrott waren und die Leute politische Freiheit verlangten. Der Ostblock ist auch deshalb kollabiert, weil die Staatsdoktrin, die kommunistische Ideologie, ein Stadium der Langeweile erreicht hatte, das unerträglich war. Es erstickte jedes Geistesleben. – Soviel über die politische und gesellschaftliche Bedeutung der Langeweile.

Zum Schluß die ironische Erklärung Kierkegaards dafür, warum die Langeweile ein allgemein verbreitetes Phänomen der Menschheit ist. Da es sich um ein Phänomen handelt, das das menschliche Dasein aufs das engste angeht, versteht es sich von selbst, daß nur ein Existenzphilosoph diese Erklärung geben konnte. Doch ist der Text eine indirekte Mitteilung im Sinne des dänischen philosophischen Schriftstellers. Er will sagen, daß die Langeweile in das ästhetische Stadium des Lebens gehört und nach Zerstreuung verlangt. Sie ist aber eine Angelegenheit, die notwendig mit dem gesellschaftlichen Leben und seiner Geselligkeit verbunden ist. Daraus läßt sich wiederum folgern, daß sie nicht den Menschen des ethischen oder existentiellen Stadiums betrifft, der sich seiner Eigenart als Einzelner bewußt ist und diese Existenzform bewußt selbst gewählt hat. Um in des Dänen Sprache zu reden, dieser Mensch hat sich selbst gewählt.

Die Erklärung dafür, daß die Langeweile die Wurzel alles Übels sei, aber lautet: „Die Götter langweilten sich, darum schufen sie die Menschen. Adam langweilte sich, weil er allein war, darum wurde Eva geschaffen. Von dem Augenblick an kam die Langeweile in die Welt und wuchs an Größe in genauem Verhältnis zu dem Wachstum der Volksmenge. Adam langweilte sich allein, dann langweilten Adam und Eva sich gemeinsam, dann langweilten Adam und Eva und Kain und Abel sich en famille, dann nahm die Volksmenge in der Welt zu, und die Völker langweilten sich en masse.“ (Entweder-Oder, Kap. Wechselwirtschaft)

J.Q. — 17. Okt 2022

© J.Quack


Zum Anfang