Josef Quack

Volksempfänger
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oder Der öffentlich-rechtliche Unfug




Volksempfänger. Daß man, wie in Europa, für einen Rundfunkapparat im eigenen Haus regelmäßig Steuern bezahlen muß, symbolisiert die Abschaffung des Eigentums. Damit ist nämlich gesetzt, daß jemand ins Haus kommen und nach dem Besitz schnüffeln kann, der zum Teil das Kapital des Staates ist. Die Commercials, die im amerikanischen Radio die Erhebung vom privaten 'Empfänger' überflüssig machen, sind eine harmlosere Einrichtung, die mehr mit liberalem Geist übereinstimmt. Die Europäer tun unrecht, sich darüber zu mokieren. Die Wohnung des Amerikaners bleibt unverletzt.

M.Horkheimer

Das öffentlich-rechtliche Rundfunksystem in des Deutschen Vaterland ist ein informationshistorisches Relikt, ein bildungspolitischer Anachronismus, eine medienrechtliche Mißgeburt, eine ordnungspolitische Anomalie, ein finanztechnischer Zwitter und in kultureller Hinsicht wenig mehr als eine Null. Kurzum, eine Institution, die besser nicht wäre.
Das öffentlich-rechtliche Rundfunksystem ist das Produkt einer Krisenzeit — inzwischen ist es zu einem milliardenschweren, selbstherrlich agierenden Medienkomplex ausgewachsen. In den ersten Jahren nach 1945 war das Radio das wichtigste Informationsmedium, und es war vernünftig und notwendig, dafür zu sorgen, daß jedermann Zugang zu dieser Informationsquelle hatte. Das Radio war aber auch ein Bildungsinstrument, das von den Besatzungsbehörden gelenkt und überwacht wurde. Es war als Umerziehungsinstrument gedacht, so wie es unter Hitler als Propaganda- und Indoktrinationsinstrument eingesetzt worden war. Diese Funktion der intellektuellen Beeinflussung, Belehrung und Bevormundung hat das öffentlich-rechtliche Rundfunksystem bis heute nicht ganz aufgegeben. Sie ist letztlich der ideelle Grund, von dem sich das Recht herleitet, jeden Besitzer eines Radios oder Fernsehers mit einer Zwangsabgabe zu belegen.
Die Stunde der Lehrer im Fernsehen schlug in den sechziger, siebziger Jahren, als ein Pädagogik-Professor die zweite Fernsehanstalt leitete und Walter Jens, Altphilologe von Beruf, als Praeceptor germaniae Woche für Woche in der Zeit über die Hervorbringungen des neuen Mediums Gericht hielt. In den folgenden Jahrzehnten wurde dieser Trend am reinsten in unduldsam eifernden Gesinnungsfiguren wie Lea Rosh verkörpert. Wir warten noch immer auf den satirischen Roman, der den Biotop beschreibt, der solche bizarren Gewächse aufkommen und gedeihen ließ. Ein eher harmloser Nachzügler dieser Spezies ist der ehemalige Sprecher der Tagesschau Ulrich Wickert, der seine Mitmenschen zur Tugend bekehren will. God bless him.
In den Dezennien, als es noch keine privaten Sender gab, erwies sich das System als ein Instrument der intellektuellen Gleichschaltung: alle Konsumenten sahen dieselben Nachrichten, denselben Krimi, dieselbe Sportveranstaltung. Das Einheitssystem des Rundfunks erfüllte die kollektivistischen Sehnsüchte der deutschen Seele, die sich zunächst als Notgemeinschaft, in den fetten Jahren des Wirtschaftswunders aber als sich einig wissende Wohlfühlgemeinschaft derer erlebte, die wieder wer sind — immer aber als Volksgemeinschaft. Diese ambivalente Befindlichkeit hat Max Horkheimer auch im Auge, wenn er den öffentlich-rechtlichen Rundfunk in Deutschland als Eingriff in die Freiheitsrechte des Einzelnen kritisiert.
In den Nachkriegsjahren war es noch einigermaßen plausibel, daß als raison d'être des öffentlich-rechtlichen Rundfunk-Monopols die Grundversorgung der Bevölkerung mit Informationen und Unterhaltung angeführt wurde. Seit der Einführung des Privatfunks und erst recht seit der medialen Vorherrschaft des Internets ist dieses Argument aber hinfällig geworden. Seit es private Radio- und Fernsehsender gibt, hat das öffentlich-rechtliche Rundfunksystem seine Existenzberechtigung verloren. Und seit der Einführung der DVD hat das Fernsehen auch seine Funktion als Archiv der Filmgeschichte eingebüßt.
Post, Bahn, Energieversorgung wurden privatisiert, sogar Sicherheitsdienste wurden zum Teil privatisiert — warum nicht auch Funk und Fernsehen? Die politischen Parteien sind aus Gründen der Selbstdarstellung und der Wahlwerbung an der Existenz eines Mediensystems interessiert, das unter ihrem Einfluß steht. Die obersten Landes- und Bundesgerichte, die einschreiten könnten, sind politische Gerichte und der Ideologie der staatserhaltenden Bevormundung der Bürger verpflichtet. Die privatwirtschaftlich organisierte Presse war lange Jahre mit dem herrschenden Zustand der Medien herzlich einverstanden, weil ihre Wortführer gleichen ideologischen Sinnes mit den Meinungsmachern des Staatsfunks waren.

Absatz

Warum setzt sich keine einzige politische Partei, nicht mal eine Splitterpartei, nicht mal die Piratenpartei, dafür ein, daß der quasistaatliche Funk samt Zwangsgebühren abgeschafft wird? Warum kümmert es keine Partei, daß die Zwangsabgabe für den Staatsfunk die Freiheitsrechte des Medienkonsumenten, der für ein Produkt zahlen muß, ob er es verwendet oder nicht, derart eklatant verletzt? Weil sie alle Politiker sind, weil sie alle gerne ihre edlen Physiognomien auf dem Bildschirm sehen möchten, obwohl sonst kein Mensch diese Gesichter sehen möchte.
Man hat sogar die Privatsender gesetzlich dazu verpflichtet, einen bestimmten Anteil politischer Sendungen ins Programm zu nehmen — was eindeutig eine Bevormundung der Sender und der Medienkonsumenten ist. Wahre Politik sollte nach dem goldenen Wort von Walter Hallstein darin bestehen, in der Gesellschaft Räume zu schaffen, die von Politik frei sind. Es gibt heute eine Überfülle von Informationen und Informationsmöglichkeiten, und es sollte gefälligst dem einzelnen überlassen bleiben, ob er davon Gebrauch macht oder nicht.
Jene Mediengesetze samt ihren Folgen, allen voran der öffentlich-rechtliche Rundfunk, sind ein grober Verstoß gegen das von Hallstein formulierte Ideal menschlichen Zusammenlebens. Die politischen Parteien befinden über die Besetzung der wichtigsten Posten in dem Medienbetrieb und sie setzen die Höhe der Zwangsgebühren fest. Sie sind die einzigen halbwegs demokratisch legitimierten Kontrolleure des Apparats, soweit sich ein Behördenkonglomerat dieser gigantischen Größe überhaupt noch kontrollieren läßt. Bei der Presse und dem Privatfunk befindet der Markt der Konsumenten und der Werbekunden über den Wert der Produkte. Ein Leser, dem die Zeitung nicht gefällt, kann sie abbestellen, er braucht sie nicht zu kaufen. Anders beim öffentlich-rechtlichen Stein des Anstoßes, wo jeder Besitzer eines Radiogeräts, demnächst jeder Besitzer eines Computers, gezwungen ist, die Abgabe zu zahlen, ob er die öffentlich-rechtlichen Medienprodukte, die überdies noch durch Werbung finanziert werden, konsumiert oder nicht.
Es kommt noch hinzu, daß die öffentlich-rechtlichen Sendungen das Geld überhaupt nicht wert sind, das für sie kassiert wird. In den Nachkriegsjahren orientierten sich die gelehrigen Deutschen in den Rundfunkhäusern an dem Vorbild der BBC. Fast alle Bildschirm-Akteure, die diesem Modell nacheiferten, waren kaum zu ertragende Langweiler. Viele Sendungen waren bebilderter Schulfunk. Immerhin konnte man hier aber noch von einem Bildungs- oder Kulturauftrag sprechen. Diese Zeiten sind längst vorbei. Heute leisten sich die Anstalten nicht einmal mehr eine Alibisendung wie seinerzeit das Literarische Quartett.
Es war ein Paradigmenwechsel eingetreten, der das Übel hat entstehen lassen, unter dem wir heute leiden. Man orientierte sich nun inhaltlich programmatisch am Privatfernsehen, ohne die öffentlich-rechtliche Organisationsform aufzugeben. Das Vorbild war nun das Fernsehen in den USA mit der täglichen Talkshow und der nicht endenwollenden Serie auf unterstem Niveau. Was dort auf dem privaten Sektor ablief und den Regeln des freien Marktes unterworfen war, wurde hier auf den öffentlich-rechtlichen Sektor übertragen — mit den bekannten Folgen: jedermann muß den am laufenden Band ausgestrahlten Schwachsinn mit seiner Gebühr finanzieren, ob er ihn goutieren will oder nicht. Dabei ist doch evident, daß öffentlich-rechtliche Unterhaltung eine contradictio in adjecto ist. Es ist nicht nur unschicklich, es wider Natur und Vernunft, daß Rock und Popmusik, Familienklamotten, Krimis, Fußball und andere Lustbarkeiten durch Staatssender subventioniert werden — alles Dinge, die sich von selbst verkaufen. Der Staatsfunk konkurriert mit dem Privatfunk, ohne ein geschäftliches Risiko zu tragen. Gibt es einen krasseren Verstoß gegen die Regeln des fairen Wettbewerbs?
Technisch und organisatorisch wären die Probleme leicht zu lösen, wenn es einen politischen Willen für die Lösung gäbe. Das öffentlich-rechtliche Fernsehen sollte zu einem differenzierten Bezahl-Fernsehen umgewandelt werden. Jeder bezahlt über seine Telefonrechnung nur die Sendung, die er gesehen hat und sehen wollte. Der Konsument hätte die Freiheit der Wahl und man würde endlich genau prüfen können, was die Produkte dieser Anstalten wirklich wert sind.
Die Alternative wäre die Umwandlung des Systems in private Unternehmen. Deutschlandfunk und Deutsche Welle könnten über Steuern finanziert werden.
Unsere Politiker aber werden weiterhin von Meinungsfreiheit und Programmvielfalt reden und über die Unfreiheit des Medienkonsumenten, den Skandal der Zwangsabgabe kein Wort verlieren. Sie werden von demokratischer Legitimation des Systems sprechen und irgendwelche "gesellschaftlich relevante Gruppen" in die Aufsichtsgremien der Anstalten schicken, Funktionäre irgendwelcher Vereine und Verbände, die alles, nur nicht demokratisch legitimiert sind.
Warum läßt man das Volk nicht über die Alternative abstimmen? Die Abschaffung der Zwangsgebühren wäre überdies eine leicht durchzuführende Steuersenkung, die längst überfällig ist.

Absatz

Von den Karlsruher Perücken wird man nicht erwarten dürfen, daß sie dem öffentlich-rechtlichen Spuk ein Ende machen. In obrigkeitsstaatlichen Denkmustern befangen, den politischen Akteuren ihr Amt verdankend, sind sie weder einsichtig noch willens, dem medialen Anachronismus, dem längst die sachliche Grundlage fehlt, die Existenzberechtigung abzusprechen. Als von Parteien ausgewählte Richter bleiben sie in mancher Hinsicht Diener der Politik: siehe die Urteile, die die elende Reform der Rechtschreibung bestätigt haben. Was ist das für ein Staatsverständnis, das meint, die Obrigkeit hätte für das Vergnügen der Untertanen zu sorgen? Ein Anachronismus, der sich sogar, um die Zwangsabgabe einzutreiben, eine Überwachungs- und Schnüffelbehörde leistet, und sinnigerweise hat man in den vergangenen Jahren gerne ehemalige DDR-Bürger für diesen schäbigen Dienst angeheuert.
Vollends absurd ist die Vorstellung, daß der durch Gebühren finanzierte Funk auch im Internet präsent sein müsse. Wenn er hier schon Inhalte anbieten zu müssen glaubt, sollte er die Chance des Mediums nutzen und sich jede einzelne Abfrage vergüten lassen. Die Grundversorgung hat hier einen völlig anderen Sinn als ehedem, in der Notzeit des Nachkriegs, bei Funk und Fernsehen. Der Begriff bedeutet, daß die technischen Voraussetzungen der Internetnutzung für möglichst viele Teilnehmer gegeben sein sollten, und diese Voraussetzungen zu schaffen ist Aufgabe privater Firmen, der Kabelgesellschaften und der Internetanbieter, die ihre Dienste wie jedes andere Produkt gegen Bezahlung anbieten.
Nein, in dieser Sache gibt es derzeit keine Richter in Deutschland. Die jetzige Generation der Rechtssprecher ist geistig offenbar noch nicht im 21. Jahrhundert angekommen, von ihr wird man keine Änderung erwarten können. Es war gewiß kein Zufall, daß die neue, frech skandalöse Regelung, daß man auch für das Fernsehen Gebühren zahlen muß, wenn man das schwachsinnige Medium überhaupt nicht nutzt, von einem ehemaligen Bundesverfassungsrichter stammt.
Ändern wird sich erst dann etwas, wenn eine Generation von Richtern ins Amt kommen wird, die mit Privatsendern und dem Internet aufgewachsen ist.

Absatz

Was die Presse angeht, so wird man kaum sagen können, daß sie ihrer Aufgabe einer grundsätzlichen und nachhaltigen Kritik des Systems gerecht geworden wäre. Das macht, lange Jahrzehnte waren die Wortführer der schreibenden Zunft eines Sinnes mit den öffentlich-rechtlichen Leitfiguren. Es schmeichelte ihrer Eitelkeit, daß sie regelmäßig zu Fernseh-Diskussionen einladen wurden, und sie besprachen Tag für Tag und Woche für Woche in ihren Blättern Sendungen, die überhaupt keinen Inhalt hatten, der es wert gewesen wäre, besprochen zu werden. Sie waren wie der kindlichste, unbedarfteste Zeitgenosse dem Reiz des intelligenzmindernden Mediums erlegen.
Berühmt-berüchtigt wurde vor Jahren der blamable Leitartikel eines Herausgebers der FAZ, aus dem hervorging, daß der gute Mann nichts Besseres zu tun hatte, als die gesamten Ostertage vor der Glotze zu verliegen. Dies stand im schärfsten Kontrast zu dem oft beschworenen Selbstverständnis der Zunft. Ein Leitartikler verstand sich nämlich als Vormund seiner Leser und als Mentor der Regierenden. Kein Leitartikel ohne die Phrase: "Der Kanzler wäre gut beraten …"
Die Presse hat in einer Demokratie die Möglichkeit, es ist ihre Pflicht und Schuldigkeit, die Machenschaften der Regierenden aufzudecken, die Auswüchse der Bürokratien aufs Korn zu nehmen, den Übermut der Ämter an den Pranger zu stellen, die Freiheitsrechte des Einzelnen zu verteidigen. Im Fall der Riesenbürokratie des öffentlich-rechtlichen Funks hat sie schlicht versagt.

Absatz

Noch kein Vernünftiger hat je zum Volk der Fernseher gehört. Das Fernsehen sei ein Nullmedium, hat H.M. Enzensberger erklärt. Man könnte auch sagen, daß es ein Medium für Analphabeten und die Armen im Geiste ist. Das öffentlich-rechtliche Gebilde macht da keine Ausnahme. Löst das Ding auf! Écrasez l'infâme!

J.Q. — 26. Juni 2011
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Postskript

Sinnsystemen ist zwar im Prinzip alles zugänglich, aber alles nur in Form von Sinn.

N. Luhmann

Der Soziologe Niklas Luhmann spottete gelegentlich über jene Sozialforscher, die aufwendige empirische Untersuchungen über Dinge durchführen, die so evident sind, daß jedermann das Ergebnis der Untersuchungen voraussagen kann. So hat man etwa vor einiger Zeit die Effektivität des Unterrichts untersucht und festgestellt, daß die ausschlaggebenden Faktoren für den Unterrichtserfolg nicht die Klassengröße oder sonstige äußerliche Umstände sind, sondern Intelligenz, Geschick und Qualifikation des Lehrers — also simple Erfahrungstatsachen, die seit Menschengedenken jedermann bekannt sind.
Dieser Tage konnte man von zwei Untersuchungen über die Qualität des Fernsehens lesen, die ähnlich trivial ausgefallen sind. Ein Medienjournalist sollte im Auftrag eines Instituts prüfen, was die überflüssig vorhandenen Talkshows im Hinblick auf Information und sachliche Erklärung wirklich leisten (FR 16.8.2011). Das Ergebnis lautet, daß die Talkshows zuerst und zuletzt Shows sind, mediale Inszenierungen ohne nennenswerten politischen oder sonstigen Gehalt — auf deutsch: Geschwätz um des Schwatzens willen. Das war bei einem "Nullmedium" (H.M. Enzensberger) auch nicht anders zu erwarten, und jeder hat das seit einem halben Jahrhundert schon vorher gewußt.
Eine zweite Untersuchung stammt von dem Allensbacher Institut für Demoskopie. Es hat herausgefunden, daß 73 Prozent der sozialen Unterschicht mehr als drei Stunden täglich vor dem Fernseher sitzen. Bei der sozialen Mittelschicht sollen es 54 Prozent sein und bei der sogenannten sozialen Oberschicht 34 Prozent (FAZ 17.8.2011). Auch diese Befragung bestätigt nur, was längst bekannt war. Deshalb kann man davon absehen, daß solche Befragungen alles andere als wissenschaftlich solid sind, da sie zu viele Unsicherheitsfaktoren enthalten. Nicht absehen kann man aber von der gravierenden Fehlentscheidung der Untersuchung, daß die Befragten nur nach dem sozialen Status unterschieden werden und nicht nach dem geistigen Bildungsniveau, das doch in dieser Hinsicht ganz offensichtlich das allein entscheidende Kriterium ist. Erfahrungsgemäß kann man jedenfalls aus dem regelmäßigen Fernsehkonsum geradezu auf die geistige Minderbemitteltheit des Zuschauers schließen.
Was die eigenartige Trivialität des Fernsehens angeht, so läßt sich das, was jedermann ohnehin weiß, auch in den leicht zynisch-ironisch gefaßten Begriffen Luhmanns ausdrücken. Er schreibt nämlich: "Nicht alle Systeme verarbeiten Komplexität und Selbstreferenz in der Form von Sinn; aber für die, die dies tun, gibt es nur diese Möglichkeit." Auf das triviale Medium angewandt, bedeutet dies, daß es ein System ist, das Komplexität eben nicht in Form von Sinn verarbeitet: es hat keinen Sinn und es produziert keinen Sinn.
Das intellektuelle Niveau der Schwatzrunden in den privaten und öffentlich-rechtlichen Sendern ist inzwischen bis zu einem Tiefpunkt abgesunken, daß der Bundestagspräsident den Abgeordneten seines Hauses empfohlen hat, nicht mehr an Talkshows teilzunehmen — ein bemerkenswerter Ratschlag und eine Einsicht, die man einem Politiker heute gar nicht zugetraut hätte. Allerdings ist der oberste Parlamentarier des Landes nicht auf die naheliegende Lösung gekommen, daß ein derart nichtiges System wie das öffentlich-rechtliche Fernsehen einfach abzuschaffen wäre.
Damit befindet er sich leider in guter Gesellschaft. Wie man sich vielleicht noch erinnert, empfahl in den achtziger Jahren der damalige Bundeskanzler Helmut Schmidt, einen fernsehfreien Tag in der Woche einzuführen — und dies zu einer Zeit, als es noch keine privaten Sender gab. Auch dieser kluge Mann, ein geborener Oberlehrer, der es selbst in seinen alten Tagen nicht lassen kann, seine Mitmenschen über Gott und die Welt zu belehren, ist nicht auf den Gedanken gekommen, den öffentlich-rechtlichen Unsinn einfach zu beseitigen.

J.Q. — 19. Aug. 2011
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Ein freier Rundfunk — eine deutsche Utopie

Das öffentlich-rechtliche Rundfunksystem, das durch eine Zwangsabgabe aller Haushalte finanziert wird, ist in seiner jetzigen Form eine deutsche Spezialität. Es paßt dem sprichwörtlichen Untertanengeist der Deutschen wie angegossen, um nicht zu sagen, wie angeboren. Daraus folgt, daß ein freier Rundfunk, bei dem der Konsument die freie Wahl hätte, welche Medienangebote er annehmen und bezahlen will, auf immer eine Utopie in Deutschland bleiben wird.
Frei wäre ein Rundfunksystem, das nicht durch Zwangsgebühren finanziert wird.
Frei wäre ein Bezahlfernsehen, das nur die Sendungen berechnet, die tatsächlich gesehen werden.
Frei wäre ein privat organisiertes Rundfunksystem, das durch Werbung finanziert wird.
Es gibt in diesem unserem Lande keinen einzigen Politiker, keine Partei, keine Bürgerbewegung, die die Abschaffung des öffentlich-rechtlichen Rundfunksystems forderten. Offenbar entspricht es der tiefsten Sehnsucht des deutschen Gemüts, daß seine multimedialen Bedürfnisse von einem quasistaatlichen Mediensystem befriedigt werden. Der Deutsche zahlt für die Benutzung seines Computers, seines Radios oder Fernsehers freiwillig und freudig Gebühren an eine unkontrollierte und unkontrollierbare, milliardenschwere Riesenbehörde, die einen größeren gesellschaftlich-politischen Einfluß hat, als ein Kafka sich je hätte träumen lassen.
Der Karlsruher Prozeß ist eine Farce. Richter, die von Politikern ernannt wurden und selbst Produkte und typische Vertreter des obrigkeitsstaatlichen Denkens sind, sollen über ein von Politikern installiertes und beherrschtes Rundfunksystem urteilen, und was das Maß voll macht, in der Vergangenheit sollen Karlsruher Richter selbst den Aufsichtsgremien dieses Systems angehört haben, über das sie nun zu befinden haben. Das ist wirklich allerliebst. Wohin man bei uns auch blickt, man sieht nur brave Leute. Auf deutsch: es ist etwas faul im Staate D-Mark.

J.Q. — 5. Nov. 2013

©J.Quack


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