Josef Quack

Auf dem Rückzug, die philosophische Gotteslehre A. Kreiners

Armin Kreiner, Das wahre Antlitz Gottes — oder was wir meinen, wenn wir Gott sagen. Freiburg 2006.




... die Theologie, die heute bekanntlich klein und häßlich ist und sich ohnehin nicht darf blicken lassen.

W. Benjamin

Wenn ein so scharfer und unnachsichtiger Religionskritiker wie Hans Albert sich respektvoll über ein theologisches Werk äußert, obwohl er in der Sache anderer Meinung ist, muß an dem Werk schon etwas dran sein. Die Rede ist von Kreiners "philosophischer Gotteslehre", wie das Buch ursprünglich heißen sollte. In der Tat spricht einiges für diese Arbeit. Kreiner sucht die üblichen Vagheiten moderner Theologen zu vermeiden und bemüht sich, möglichst klar und verständlich über seinen Gegenstand zu sprechen. Er lehnt es ab, sich mit gewissen feministisch motivierten Theologumena, die ins Abstruse abgleiten, auseinanderzusetzen oder die einschlägigen Begriffe in der Nachfolge Hegels zu erörtern. Das letzte mag man bedauern, doch steht es ihm wie jedem Autor frei, sein Thema nach eigenem Ermessen zu begrenzen. Jedenfalls aber kann man seiner Intention, die er in die goldenen Worte faßt, nur zustimmen: "Wer aber meint, Gründe — und zwar sachliche, objektive, neutrale, rationale — hätten in einem Diskurs um den adäquaten Gottesbegriff nichts verloren, der leistet der Tendenz Vorschub, daß dieser Diskurs zu einem konfusen Betroffenheitsgeschwafel verkommt."
Das Buch ist übersichtlich und didaktisch sinnvoll aufgebaut, die einzelnen Kapitel schließen jeweils mit einem Fazit, in dem das Ergebnis der vorangegangenen Diskussion zusammengefaßt wird. Das Werk ist aus Vorlesungen hervorgegangen und der akademische Anlaß zeigt sich darin, daß Kreiner den gegenwärtigen Diskussionsstand beschreiben will; dabei bezieht er sich hauptsächlich auf amerikanische Arbeiten. In sachlicher Hinsicht kann man gar nicht genug betonen, daß Kreiner die Frage der Theodizee in den Mittelpunkt des christlichen Religionsverständnisses rückt: "Die natürlichen Übel bilden das gravierendste Problem einer kohärenten theistischen Weltdeutung, weil sie genau jene Behauptung untergraben, auf die sich deren Erklärungspotential stützt, die Behauptung der Güte und Werthaltigkeit der Schöpfung." Damit ist nichts anderes gesagt, als daß ein Religionskonzept, das von der Frage der Theodizee absieht, nicht ernstzunehmen ist. Auf einem anderen Blatt steht aber, ob Kreiners Antwort auf dieses Problem überzeugen kann.
Diesen unbestreitbaren Vorzügen der Arbeit stehen freilich einige ebenso offensichtliche Schwächen gegenüber, so daß das Werk, aufs Ganze gesehen, einen zweifelhaften, enttäuschenden Eindruck hinterläßt, und dieser Eindruck wird gerade durch den Abschluß der Arbeit verstärkt. Denn ausgerechnet hier, wo es am nötigsten gewesen wäre, hat Kreiner darauf verzichtet, ein resümierendes Fazit der gesamten Studie zu ziehen. Er unterläßt es, am Ende der umständlichen Diskussion die Hauptargumente seines Gedankenganges zusammenzufassen und die Grundrisse seiner Lehre, die nichts weniger als eine theistische Erklärung der Welt sein will, nachzuzeichnen. Nachdem er sich in vielen Einzelfragen um eine rationale Diskussion bemüht hat, endet er schließlich bei dem hoffnungslosen Versuch, seinen Standpunkt zu rechtfertigen, der eingestandenermaßen ein Wunschdenken ist. Mußte er deshalb fünfhundert lange Seiten schreiben, Hunderte Titel mehr oder weniger nützlicher Sekundärliteratur besprechen, zur physikalischen Kosmologie und zur Evolutionstheorie abschweifen, die Mystiker befragen und die modernen Logiker konsultieren? Er bestätigt damit nur, was die Religionskritiker seit L.Feuerbach schon immer gewußt haben. Parturiunt montes, nascetur ridiculus mus.
Ich will nun nicht nachholen, was der Autor versäumt hat, ich will keinen Überblick über den Gedankengang der Studie geben, sondern auf drei Punkte hinweisen, die mir die Schwachstellen der Arbeit zu sein scheinen: (1) der Studie fehlt eine gründlichere hermeneutische Reflexion über die intellektuelle Ausgangssituation der Überlegungen, man vermißt eine grundsätzliche, kohärente Diskussion über den Gegensatz von Wissen und Glauben, (2) der Studie hätte eine konsistente wissenschaftstheoretische Kontrolle der eigenen Gedanken gutgetan, (3) die Studie enthält nicht einmal den Ansatz einer ausgearbeiteten Ontologie, obwohl der Autor sich auf die Kritik der traditionellen Ontologie der Gotteslehre nicht wenig einbildet.
Zunächst aber, warum müssen Theologen eigentlich meist so dicke Bücher schreiben? Warum hat Kreiner seine Arbeit mit umfangreichen Anmerkungen versehen, die ein gutes Viertel des Umfangs ausmachen? Ein namhafter Vertreter des Fachs, Adolf Harnack, hat allen Gelehrten empfohlen, die Anmerkungen nicht dazu zu benutzen, um darin Nebenkriegsschauplätze zu eröffnen, und er hat den guten Rat gegeben, sich im Falle der Anmerkungen, sofern sie mehr als Quellenangaben enthalten, für die Feuerbestattung zu entscheiden. Kreiner aber verwendet die Fußnoten nicht nur dazu, um sich mit der Forschungsliteratur auseinanderzusetzen, er teilt im Kleingedruckten auch Dinge mit, die eigentlich in den Haupttext gehören.
Die Arbeit ist, gemäß dem heute herrschenden Geist der kulturellen Servilität, vornehmlich auf die amerikanische Diskussion ausgerichtet. Das verleiht dem Werk eine Blickverengung. So ergibt sich das Kuriosum, daß der Autor über zwei Umwege auf Heideggers Kritik an der abendländischen Onto-Theologie zu sprechen kommt, über einen amerikanischen Bericht über die an M. Heidegger orientierte französische Theologie. Existentielle Sinnfragen waren das Kernthema der Existenzphilosophie, sie wurden mit leidenschaftlicher Akribie behandelt. Demgegenüber nimmt sich das, was Kreiner dazu zu sagen hat, recht kümmerlich aus. J.P. Sartre und sein atheistischer Existentialismus kommen mit keinem Wort zur Sprache. A.Camus wird zwar erwähnt, die Pointe seines Denkens, sein eigentümliches Glücksverständnis, auf das sich viele Intellektuelle bis auf unsere Tage berufen, bleibt außerhalb des Horizonts unseres Autors.
Dem voluminösen Handbuch, das derzeit im christlichen Beritt die ausführlichste Gotteslehre darstellen soll, fehlt ein Sachregister.

1. Hermeneutische Unklarheit

Das Werk nennt sich "philosophische Gotteslehre". Was ist damit gemeint? Natürliche bzw. rationale Theologie im Sinne der philosophischen Tradition, der Kant ein Ende setzen wollte, oder jene Teildisziplin der Theologie, die sich mit Begriff und Existenz Gottes beschäftigt? In diesem Fall hätten wir es mit einem Pleonasmus zu tun, und in der Tat liegt dieses Phänomen hier vor. Kreiner stellt fest, daß die von ihm verwendete Rede von Gott auf das Bekenntnis einer bestimmten Gemeinschaft zurückgeht, daß die Frage nach dem Sinn dieser Rede aber eine philosophische Frage sei. Dem fügt er hinzu: "Aber allzu lange sollten beide [nämlich Philosophie und Theologie] nicht getrennte Wege gehen."
Nun, die beiden Wege vereinigen sich früher, als dem Verfasser bewußt ist. Die folgende Aussage geht gewiß nicht auf eine Erkenntnis der natürlichen Vernunft zurück, sondern auf eine Annahme des Glaubens, und Kreiner ist sich dessen wohl auch bewußt: "Wenn Gott so existiert, wie ihn die theistischen Traditionen trotz aller Unterschiede beschreiben, ist davon auszugehen, daß er sich offenbart, indem er sich den Menschen zu erkennen gibt." Wenn er dagegen meint, es sei "erstaunlich, daß überhaupt ein Universum existiert", ist ihm offensichtlich entgangen, daß diese Frage den genuin christlichen Standpunkt, nämlich den Gedanken einer Schöpfung aus dem Nichts, voraussetzt. Übrigens hat Karl Löwith auf diese Voraussetzung, die eine metaphysische Grundfrage berührt, aufmerksam gemacht. An einer zentralen Stelle der Diskussion über den Gottesbegriff stellt Kreiner gegen die traditionellen Deutungen von Allmacht und Allwissenheit die alternativen Kategorien von Freiheit und Liebe, die offensichtlich nur in einem theologischen Kontext sinnvoll erscheinen. Zudem lassen sie sich, wenn man an das Theodizee-Problem denkt, nur als Beispiele einer analogen Rede verstehen, eben jener analogen Rede, die Kreiner sonst kräftig perhorresziert.
Grundsätzlich meint er einmal, es sei "völlig legitim, sich in umstrittenen Fällen an den Vorgaben der eigenen Tradition zu orientieren", und er behauptet, daß nicht "das Überlieferte der Rechtfertigung bedarf, sondern das Neue". Damit spricht er einen hermeneutischen Grundsatz aus, der nur zur Hälfte richtig ist. Wahr ist, daß wir bei rationalen oder wissenschaftlichen Diskussionen niemals bei Null anfangen können, sondern bei vorgegebenen Theorien und Problemstellungen beginnen müssen. Wahr ist auch, daß wir die wissenschaftlichen und kulturellen Voraussetzungen der Tradition niemals alle zugleich in Frage stellen können, und es stimmt auch, daß wir weitaus stärker von unserer kulturellen Tradition bestimmt sind, als uns jemals bewußt werden kann — dies ist der rationale Kern der Theorie der Wirkungsgeschichte im Sinne Hans Georg Gadamers. Doch stimmt es nicht, daß das Überlieferte nicht der Rechtfertigung bedürfe, nicht kritisch überprüft und in Frage gestellt werden dürfe. Gerade bei der Frage nach Begriff und Existenz Gottes hat der Vertreter des Theismus den fälligen Nachweis oder die entsprechende Erklärung zu erbringen und keineswegs der Skeptiker. Auch hier gilt der Hauptsatz jeder vernünftigen Argumentation: gratis affirmatur, gratis negatur.
Mit dieser hermeneutischen Unklarheit hängt zusammen, daß Kreiner es nicht für nötig hielt, die Differenz von Wissen und Glauben im christlichen Sinne, der mit ‚Glauben' im umgangssprachlichen Sinne wenig zu tun hat, systematisch zu klären. Zwar spricht er gelegentlich von Glaubensentscheidung, doch warum dieses Moment, ein Wesensmerkmal des christlichen Glaubensbegriffs, wichtig oder erforderlich sei, bleibt außer Betracht, erst recht werden die weiteren Merkmale dieses Begriffs, die einem Philosophen unannehmbar oder unverständlich erscheinen müssen, nicht erwähnt. Diese Klärung wäre aber nötig gewesen, um die Intention seines Werkes zu verstehen.

2. Wissenschaftstheoretische Schwächen

Kreiner will mit dieser umständlichen Arbeit nichts anderes als den Nachweis erbringen, daß es nicht unvernünftig ist, an Gott in dem Sinn zu glauben, wie er in der Explikation des Begriffs von Gott ausführt. Nun stellt sich aber heraus, daß auch nicht recht klar wird, was er als vernünftig oder logisch bezeichnet. Er meint, man drehe sich im Kreis, wenn man jemand erklären wolle, daß es vernünftig sei, sich an die Regeln der Logik zu halten. Doch liegt wirklich ein circulus vitiosus vor, wenn man die Vorzüge logischen Denkens erklären will, indem man etwa nachweist, daß eine Behauptung falsch ist? Er fordert, die "religiöse Rede von Gott sollte logisch widerspruchsfrei sein", sonst sei sie "unverständlich, nichtssagend oder falsch". Dies mag so sein, doch falsche Aussagen sind nicht unverständlich, denn nur von verständlichen Aussagen läßt sich nachweisen, daß sie falsch sind.
Die erste Schwierigkeit, mit der eine Gotteslehre es zu tun hat, ist die These der negativen Theologie, die die Möglichkeit, über Gott sinnvoll zu reden, drastisch einschränkt, und man wird nicht behaupten können, daß Kreiner sie zufriedenstellend analysiert, geschweige denn überwunden hätte. Er will nachweisen, daß jene These in sich widersprüchlich ist, räumt aber in einer Fußnote im Anschluß an J. Bochenski ein, daß es eine metasprachliche Fassung der These gibt, die nicht widersprüchlich ist. Nicht ganz klar wird auch der Punkt, wie das Verhältnis von Affirmation und Negation zu verstehen ist. Kreiner sieht richtig, daß auch mit Negationen etwas behauptet wird, erklärt aber nicht, wie der Gegensatz von Affirmation und Negation zu beschreiben ist, wenn auch ein verneinendes Urteil eine Affirmation ist, nämlich ein Urteil, das mit behauptender Kraft ausgesprochen wird.
Aufs engste mit jenem Standpunkt verbunden ist die These von der prinzipiellen Geheimnishaftigkeit Gottes. Als Kronzeuge für diese Lehre führt er Karl Rahner an, entgegnet aber, daß diese Eigenschaft es keinesfalls ausschließe, sinnvolle Aussagen über Gott zu machen. Dabei erweckt er beim Leser den Eindruck, daß diese Entgegensetzung allein sein Argument sei. In Wirklichkeit vertritt Rahner die gleiche Position: "Aber Geheimnis ist ja nicht identisch mit einem Satz, der quoad nos sinnlos und unnachvollziehbar ist." (Grundkurs des Glaubens 1976, 23) Noch deutlicher äußert sich M. Heidegger in seinem Vortrag über Phänomenologie und Theologie (1927, publiziert 1969), der für unser Thema grundlegend ist und den Rahner sicher gekannt hat: "Allein es kann sehr wohl etwas unbegreiflich und durch Vernunft nie primär enthüllbar sein, es braucht gleichwohl nicht eine begriffliche Fassung von sich auszuschließen."
Für die merkwürdige Art, wie der Autor sich auf wissenschaftliche oder philosophische Theorien beruft, um seine eigenen Behauptungen zu untermauern, ist seine Berufung auf Karl Popper besonders charakteristisch. Einerseits stimmt er dessen Konzept eines fallibilistischen Realismus zu, er übernimmt auch die Lehre, daß es keine reinen Beobachtungssätze gibt, weil unsere Sprache von Theorien durchsetzt sei; dann aber spricht er bei der Entstehung von Begriffen unbekümmert von einer Folge, die von Wahrnehmungen zur Reflexion führt. Popper hat bekanntlich die induktivistische Erklärung verworfen und statt dessen die wissenschaftliche Erklärung als hypothetisch-deduktiv charakterisiert.
Kreiner aber bleibt am Ende seiner langen Überlegungen, die eine theistische Deutung der Welt plausibel machen sollen, nur der Ausweg, "ein induktives Argument" für seine These anzunehmen. Seiner Ansicht nach gibt es Indizien, die zwar nicht zwingend für seine Option sprechen, aber auch nicht gegen sie. Er unterschlägt dabei, daß derartige Indizien nur im Lichte einer Theorie als solche zu deuten sind, er also seine theistische Erklärung voraussetzt, wenn er die Indizien als Argumente für seine These betrachtet. Sein Vorgehen will er mit der Behauptung von William James rechtfertigen, "daß aus dem Willen, eine Überzeugung möge wahr sein, unter bestimmten Voraussetzungen auch das Recht resultiere, sie für wahr zu halten". In Fällen, wo sich keine rationale Entscheidung aufgrund von sachlichen Argumenten treffen lasse, wäre das von James beschriebene Vorgehen gerechtfertigt. In diesen Fällen sei die Einstellung keine Ideologie des Wunschdenkens. Nun, mit dem gleichen Recht ließe sich auch jede beliebige andere Einstellung rechtfertigen, z. B. eine atheistische Position. Bezeichnenderweise schließt das Buch mit einem Wunschsatz: "Ich will, daß der Theismus wahr ist…".
Wie unter seinesgleichen heute üblich, räumt er das Feld der traditionellen Gottesbeweise kampflos. Er meint, sie spielten für die Einstellung der Glaubenden keine entscheidende Rolle. Dabei unterschätzt er die Vernunftansprüche der gläubigen Zeitgenossen gewaltig, wie ihn der gesunde Menschenverstand oder etwa das Beispiel von Intellektuellen, die konvertiert sind, hätte lehren können. Warum wird das Problem der Gottesbeweise auch nach der Kritik Kants immer noch in der Philosophie diskutiert? Und schließlich, was ist denn seine eigene "theistische Erklärung" anderes als eine modifizierte und abgeschwächte Variante des kosmologischen oder des teleologischen Beweises?
Wenn er freilich die Schöpfung mit der Urknalltheorie assoziiert, begibt er sich auf die Stufe eines naiven Christentums, über die sich schon Karl Jaspers, sonst nicht gerade ein Champion genauer Distinktionen, mokiert hat. Einmal behauptet er, der kosmische Raum sei unendlich, während er an anderer Stelle korrekt davon spricht, er sei unbegrenzt. Überhaupt ist er wissenschaftsgläubiger als es heute ein informierter Laie sein dürfte. Wir lesen etwa, daß es eine evolutionstheoretische Erklärung für die Entstehung von Leben und Bewußtsein gebe, und im Stil evolutionstheoretischer Argumentation behauptet er, nichts dürfte "nachhaltiger für die Wahrheit einer Erkenntnis sprechen als ihre Fähigkeit, Überleben zu ermöglichen". Aber gibt es nicht auch wahre Erkenntnisse, die das Überleben verhindern, die alles Leben zerstören können? Spricht die geschichtliche Erfahrung auf jeder Seite nicht eine andere Sprache? Gilt das gleiche Argument, wie Nietzsche meinte, nicht auch für Lüge und Täuschung? In dem von Peter Viertel geschriebenen Film Weißer Jäger, schwarzes Herz, sagt der Produzent, der den Naziterror überlebt hat: "Wenn ich immer die Wahrheit gesagt hätte, wäre ich heute ein Stück Seife."

3. Das ontologische Defizit

Der empfindlichste Mangel dieser Arbeit scheint mir zu sein, daß darin nicht einmal der Ansatz einer leistungsfähigen ontologischen Theorie zu finden ist. Der Autor verweist in dieser Frage schlicht und einfach auf den bekannten Aufsatz von Quine, On what there is, ohne sich die Mühe zu machen, Quines Begriff der Existenz genauer zu erläutern, und ohne zu fragen, ob er denn allen Phänomenen, denen wir Sein zusprechen, gerecht wird. Was er gegen die Annahme verschiedener Seinsweisen einwendet, ist weniger ein Argument als eine triviale Tautologie. Er behauptet, Sein als Existenz sei der einzige sinnvolle Seinsbegriff, also sei die Annahme verschiedener Stufen des Seins verfehlt. Desgleichen meint er, Gott als "Sein selbst" zu bezeichnen, sei nicht "sehr erhellend", wobei er auf A. Kennys Studie über Thomas von Aquin verweist. Hier aber hätte er sehr wohl eine sinnvolle Deutung jenes Begriffs finden können, überdies einige Seinsbegriffe, die in Quines Schema nicht passen.
Eine Folge des ontologischen Defizits ist, daß er mit der analogen Redeweise, die bei der analogia entis ins Spiel kommt, nichts anfangen kann und nicht einmal die damit verbundene Intention zu erfassen vermag. Er nennt sie, eine begriffliche Anleihe bei John Searle machend, ‚parasitär'. So hatte Searle die fiktionale Redeweise genannt, damit aber den besonderen Charakter der dichterischen Sprache eklatant verfehlt. Kreiners Gedankengang läuft auf den Irrtum hinaus, daß er die triadische Opposition von ‚univok' (eindeutig), ‚analog', ‚äquivok' (mehrdeutig), auf die binäre Opposition von ‚wörtliche Rede' vs. ‚übertragene Rede' glaubt reduzieren zu können; Analogien müßten wörtlich übersetzbar sein, eigentlich seien sie überflüssig. Er übersieht, daß bei der analogischen Redeweise vorausgesetzt wird, daß man die wörtliche Bedeutung eines Ausdrucks kennt, und bemerkt nicht, daß auch Metaphern eindeutig verwendet werden. Auch entgeht ihm die Pointe, daß sich das Problem der analogischen Ausdrucksweise sowohl stellt, wenn ein unmetaphorischer Ausdruck als auch dann, wenn ein metaphorischer Ausdruck auf Gott angewendet wird.
Übrigens hält Kant, trotz seiner Destruktion der Gottesbeweise, an der analogischen Redeweise fest, und er hat allen Grund dazu, denn die Kategorien, die für die empirische Erfahrung gelten, können nicht in derselben Weise auf Gegenstände zutreffen, die jenseits der Erfahrung liegen. Auch hat W. Künne gezeigt, daß es gelegentlich vorteilhaft ist, die primäre Verwendungsweise eines Ausdrucks von der sekundären oder analogischen zu unterscheiden, weil man auf diese Art bestimmte Begriffe erklären kann, ohne zirkulär zu verfahren.
Als Kronzeuge für die Kritik, die analoge Rede sei ein "Balanceakt" zwischen Univozität und Äquivozität, nennt der Verfasser wiederum K. Rahner. Wenn man nun die Stelle bei Rahner nachliest, stellt sich heraus, daß er die genannte Interpretation der Analogie zwar ablehnt, die Analogie also nicht als "Zwitter" zwischen Univokation und Äquivokation verstanden wissen will; doch will er nachweisen, daß in seinem Konzept der transzendentalen Erfahrung "die analoge Aussage das Ursprünglichste unserer Erkenntnis überhaupt bedeutet", während er univoke und äquivoke Aussagen als "defiziente Modi" des ursprünglichen Verhältnisses auffaßt (Grundkurs des Glaubens 1976, 80f.). Rahner geht es also nicht um eine prinzipielle Ablehnung, sondern im Gegenteil um eine Ehrenrettung der analogischen Rede in der religiösen Sprache. Die Art, wie Kreiner zitiert, ist nicht immer die feine, wissenschaftlich vertretbare Art.
In der Sprache der Strategen gibt es einen Euphemismus, der verschleiern soll, daß man seine Stellungen räumt, weil die Kräfte fehlen, sie länger zu halten: ‚rückwärts gehend Land gewinnen'. Von dieser Art ist der Rückzug, den Kreiner in Sachen der Theologie so wortreich unternimmt.

J.Q. — 23. Sept. 2010

©J.Quack


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