Josef Quack

«Nein, danke»
Zum Unfug der Danksagung in Büchern




Der Brauch, daß Sachbuchautoren im Vor- oder Nachwort den Personen namentlich danken, die geholfen haben, das Werk zu erstellen, stammt aus Amerika, eine durchaus sinnvolle, manchmal auch rechtlich gebotene Sitte. Von Amerika stammt aber auch der grobe Unfug, der mit dieser Sitte vielfach getrieben wird.

Es ist tatsächlich angebracht, jene Personen dankbar zu nennen, die einen sachlichen Beitrag zu einem Buch geleistet haben, Personen, die zum Beispiel Recherchen zum Thema ausgeführt, das betreffende Informationsmaterial gesammelt, die Archive und die Forschungsliteratur nach einschlägigen Quellen und Arbeiten durchgesehen haben. Auch wären Mitarbeiter zu erwähnen, die das Buchregister erstellt, Fachkollegen, die die Arbeit gelesen und kontrolliert, Experten, die bestimmte Kapitel geprüft haben u. ä.

Überflüssig ist es dagegen, jene Personen eigens zu nennen, deren Beruf es ist und die davon leben, Bücher herauszubringen oder daran mitzuwirken. Die Dankesworte an Verleger, Lektoren, Sekretärinnen gehören weniger in die Rubrik der Danksagung als in die Rubrik der Schmeichelei, und ebenfalls in diese Sparte gehören die meisten Namen der Kollegen und alle Namen von Berühmtheiten, denen der Autor einmal „Guten Tag“ gesagt hat. Solche Personen werden genannt, um sie günstig zu stimmen, besonders dann, wenn sie als Rezensenten des Buches in Frage kommen.

Es ist evident, daß das Genre der Danksagung oft genug als Mittel der unverhohlenen Kumpanei mißbraucht wird, und daß die vielen Lobeserhebungen nur gemacht werden, damit die Gelobten ihrerseits den Lobenden in ihren Schriften lobend erwähnen. Man hat mit einigem Recht hier von einem Zitationskartell gesprochen.

Das Instrument der Danksagung wird leicht zu mehr oder weniger lauteren Nebenzwecken benutzt. So hat etwa Henry Kissinger einmal in einem politikwissenschaftlichen Buch einen Fachkollegen, mit dem er verfeindet war und kein Wort sprach, für dessen „lebhafte Anteilnahme“ gedankt. Es war ein recht zweideutiges Dankeswort – es konnte der Versuch sein, den Rivalen günstig zu stimmen, oder der ironische Ausdruck reinen Hohnes und gezielter Verachtung.

Walter Isaacson, der in seiner Biographie über Kissinger diesen Fall mitteilt, verfährt in seiner eigenen Danksagung auch derart, daß man an seinem Ernst zweifeln kann und die Vermutung sich aufdrängt, daß er sich einen Scherz erlaubt. So behauptet er etwa, die Intelligenz und Liebe seines Vaters und seiner Stiefmutter „erscheinen mir allezeit grenzenlos“. Die derart dick aufgetragene Schmeichelei ist schlechthin unglaubwürdig und erregt den Verdacht, ironisch gemeint zu sein. Das gilt vollends für die Bemerkung über seine zweijährige Tochter, von der er behauptet, ohne ihre Hilfe wäre das Buch in der Hälfte der Zeit fertig geworden. Der Autor scheint sich mit seinen Übertreibungen über das Genre der Danksagung lustig zu machen, besonders über den Mißbrauch, den es durch amerikanische Sachbuchautoren und Wissenschaftler erfahren hat. Die Erwähnung seiner Tochter erinnert übrigens an die unrühmliche Marotte Jimmy Carters, der bei jeder passenden und unpassenden Gelegenheit seine halbwüchsige Tochter Amie zu nennen pflegte.

Überflüssig zu sagen, daß es in den meisten Fällen unsagbar peinlich ist, wenn die angetraute Ehefrau genannt und bedankt wird für ihre Geduld, Nachsicht, Fürsorge, Milde oder wie die Einstellungen alle lauten, die sie für den schwerarbeitenden, bücherschreibenden Mann aufbrachte.

Den ersten Preis in Sachen einer absurden Danksagung aber hat ein als „Denker der Stunde“ von der Zeit gepriesener deutscher Philosophieprofessor verdient, der, umtriebig auf nahezu allen internationalen Foren der Philosophie, in seinem Vorwort des bei Suhrkamp erschienenen Buches (2020) auf fünf Seiten die zahllosen Institutionen und Fachkollegen aufzählt, denen er angeblich die Kenntnisse seiner Arbeit verdankt.

Er nennt: die Alexander von Humboldt-Stiftung, den Forschungsaufenthalt an einer Pariser Universität, das Collège mondiale, ein Pariser-Bonner Forschungszentrum, den Rektor von Bonn, den Präsidenten von Paris 1, das Zentrum für Philosophie NRW, ein Forschungsaufenthalt in New York, Vortragsreisen in den USA, Japan, China, Portugal, England, Brasilien, Spanien und Chile, den mehr berühmten als anerkannten amerikanischen Philosophen Thomas Nagel, einige Vertreter der „Sinnfeldontologie“, Namen von mehr als 60 Fachkollegen oder Autoren, mit denen er Gespräche geführt hat, darunter die Namen von angesehenen Philosophen wie Manfred Frank, John Searle, Günter Figal, alle fein-sauber in alphabetischer Ordnung, eine demokratische Reihe, die keinen hervorhebt und keinen zurücksetzt, als seien alle Denker gleich wichtig und gleich kreativ.

Man fragt sich, wie der Autor dieser weltumspannenden Danksagung, bei dieser grenzenüberschreitenden Geschäftigkeit und der Einbindung in ein riesiges Netzwerk von Personen und Instituten, überhaupt noch zum Denken kommen konnte — und man verzichtet auf die Lektüre eines Buches, das Ergebnis einer phänomenalen Umtriebigkeit, das eine unfreiwillige Satire auf die globale Gegenwarts-Philosophie zu sein scheint, aber gewiß kein Werk im Sinne jener Lehre, die wir Philosophie zu nennen gewohnt sind. Wenn dieser Kopf der „Denker der Stunde“ sein soll, dann kann man diese Stunde nur kopfschüttelnd bedauern.

Übrigens ist jene Liste der Danksagung derart absurd, daß sie erdichtet sein könnte; sie scheint aber doch ernst gemeint zu sein.

Gegenbeispiele gefällig? Wahrhaft Große des Genres, Heidegger und Wittgenstein, zogen sich von Zeit zu Zeit in einsame Hütten zurück, um konzentriert philosophisch arbeiten zu können. Ernst Tugendhat, offiziell Mitglied eines geisteswissenschaftlichen Max Planck-Instituts, nutzte die günstige Gelegenheit, um, abseits vom Institutsbetrieb, für sich zwei Bücher zu schreiben, die dann zu Standardwerken ihres Themas wurden: ein Einführung in die sprachanalytische Philosophie und eine Studie über das Selbstbewußtsein.

Um nicht mißverstanden zu werden: So sehr jede Philosophie sich der kritischen Prüfung aussetzen und sich in ihr bewähren muß, so evident ist doch, daß ihre Konzeption und Ausarbeitung ein Werk des einsamen Denkens ist. Selten sind philosophische Schriften von zwei Autoren, wie die Dialektik der Aufklärung von Horkheimer und Adorno. Das Theologische Wörterbuch von Rahner und Vorgrimmler besteht zur einen Hälfte aus Artikeln, die Rahner geschrieben hat, und zur anderen Hälfte aus Artikeln, die Vorgrimmler verfaßt hat. Echte philosophische Werke einer Gruppe von Autoren kommen dagegen überhaupt nicht vor. Das Historische Wörterbuch der Philosophie ist eine Sammlung von eigenständigen philosophischen Monographien in einem formal festgelegten Rahmen, aber kein Werk gemeinschaftlichen Philosophierens. Die „Symphilosophie“, eine Idee Friedrich Schlegels, ist eine romantische Idee geblieben.

Als Bertrand Russell zusammen mit Alfred Whitehead die Principia mathematica schrieb, machte er jeden Abend einen einsamen Spaziergang, um den Beitrag zu überlegen, den er am nächsten Morgen zu dem Werk leisten wollte. "Denken" ist wie "Fragen" eine geistige Tätigkeit, die der Mensch nur als Einzelner vollziehen kann, und hinzugefügt sei, daß sich seine Eigenständigkeit in der Stärke und Qualität seines Denkens zeigt. Dies ist eine bleibende Erkenntnis der Existenzphilosophie (cf. J.Q., Zum Ethos von Intellektuellen. S.81).

Eine bewußte Satire auf das Genre der Danksagung in wissenschaftlichen Büchern aber hat schon vor Jahrzehnten Volker Bohn, Germanist in Frankfurt, geschrieben. Er schließt einen Aufsatz, den er unter einem Pseudonym, dem Namen seines Hundes, veröffentlichte, mit dem Dank für einen Skat-Bruder und Chivas Regal, bekanntlich ein feiner Whisky, der fraglos unseres Dankes immer würdig ist.

© J.Quack — 3. März 2024


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