Mir tut es allemal in der Seele weh, wenn ein Mann von Talent stirbt, denn die Erde hat dergleichen nötiger als der Himmel.
Als ich gestern erfuhr, daß Hermann Bickel am Montag, dem 17. August, nach monatelanger schmerzhafter Krankheit in St. Wendel mit 82 Jahren gestorben ist, kam mir sofort die berechtigte Klage Lichtenbergs in den Sinn. Denn Bickel hatte das ungewöhnliche Talent, andere Menschen zu unterhalten, ihnen Freude und sich Freunde zu machen.
Ich lernte ihn 1960/61 in St. Wendel oberflächlich kennen, wo er als Frater hinkam, um in der Unterpräfektur auszuhelfen. Wie er später erklärte, kam er, wie auch seine Kollegen, völlig unvorbereitet zu dieser Aufgabe, die er aber dann doch mit gesundem Menschenverstand recht zufriedenstellend meisterte. In St. Augustin gehörte er zu den oberen Semestern, als wir dort zusammen waren. In Erinnerung geblieben ist er mir zunächst als Schauspieler 1963 in einem weihnachtlichen Theaterstück, Paulus unter den Juden von Franz Werfel. Weil Bickel sich wegen eines Magenleidens einer kuriosen Pilztherapie unterzog, bekam er den Namen „Schimmel“, der zeitlebens an ihm haften blieb. Mein Bruder nannte ihn niemals anders.
Erst vor wenigen Jahren hörte ich, daß Bickel das theologische Lizentiat gemacht hatte und zwei Jahre Präfekt der Fratres in St. Augustin war, eine der schwierigsten, nervenzerrüttenden Aufgaben, die die Gesellschaft der SVD zu vergeben hatte. Bickel mußte den Posten denn auch krankheitshalber bald aufgeben. Er war dann bis zu seiner Pensionierung Lehrer und Erzieher am Gymnasium in St. Arnold.
Eher nebenbei erfuhr ich, daß er viele ehemalige Schüler und Seminaristen, auch laisierte Kollegen getraut und manche Kinder von ihnen getauft hatte. Er wurde zum Verbindungsmann vieler Ehemaliger, an die übrigens zum ersten Mal das II. Vaticanum ehrenvoll gedacht hatte (Optatam totius Nr.6). Man sieht, daß es ihm leicht fiel, das Vertrauen anderer Menschen zu gewinnen.
Dies dürfte ihm zweifellos auch bei seinen Auftritten als Zauberpater geholfen haben. Es war für ihn mehr als ein Hobby, es war gleichsam sein zweiter Beruf, den er mit großer Leidenschaft ausübte und so ernst nahm, wie man die Unterhaltung seiner skeptischen und vorwitzigen Mitmenschen nun einmal nehmen muß, wenn man Erfolg haben will. Und Bickel hatte mit vielen, vielen Auftritten Erfolg. Sein Erfolg schlug sich in bedeutenden Summen nieder, die er für karitative Aufgaben der Mission spendete.
Er präsentierte die magischen Kunststücke witzig und geistreich plaudernd, überraschende Tricks gewandt zeigend, auf einem beachtlichen Niveau, ohne jeden billigen, geschmacklosen Ausrutscher. Daß er sowohl Erwachsene wie auch Kinder zum Staunen und Lachen bringen konnte, bestätigt sein Können, das eine Kunst der Unterhaltung war. Um mit Brecht zu reden: „Die Erheiterung anderer kann sehr gut auch eines nüchternen Mannes Geschäft sein“.
Bickel fand leicht Zugang zu den Menschen und hatte im Laufe der Jahre einen großen Bekanntenkreis um sich versammelt, von dem auch ich profitierte, da er ihnen meine Bücher empfahl. Er hatte auch im November 2017 den späten Kontakt zu P. Stier hergestellt (cf. , Lehrjahre in St. Wendel und St. Augustin, S. 58f.).
Das Erstaunliche an dem Zauberpater und wohl das Geheimnis der Leichtigkeit, womit er das Vertrauen anderer Menschen gewann, war die Tatsache, daß er gänzlich frei war von jedem klerikalen Hochmut. Er nannte sich gerne „Mission-Narr“ und Zauber-Pater, und bei Gelegenheit theologischer Diskussionen überraschte er uns damit, daß er sich in Theologie gut auskannte, doch verschmähte er jede pfäffische Attitüde und klerikale Überheblichkeit, die für seinen Stand selbst heute noch typisch und meines Erachtens ein Grund für den Niedergang der Kirche ist.
Bickel war in dieser Hinsicht eine große, leuchtende Ausnahme. Bemerkenswert ist zudem, daß er jahrzehntelang als Lehrer tätig war, aber nichts Schulmeisterliches an sich hatte, nicht die geringste déformation professionelle, was man wohl als ein untrügliches Zeichen echter Lebenskunst betrachten kann.
Alles in allem war er ein freundlicher, angenehmer Zeitgenosse, dessen Offenheit, Geradlinigkeit, Heiterkeit man nur bewundern und anerkennen konnte. Ein seltener, zauberhafter Mensch, der uns fehlen wird.
Peter Broich schickte mir die folgende, für Bickel bezeichnende Anekdote, die er bei einem Auftritt Bickels bei einem ökumenischen Sommerfest in Mainz-Finthen erlebt hatte: "Vor einer Zaubernummer fragte er die Kinder, ob sie einen Zauberspruch wüßten. Im Sprechchor kam: 'Hokus pokus fidibus, dreimal schwarzer Kater!' Darauf kam spontan: 'Falsch! Es heißt: ... dreimal schwarzer Pater!'"