Die Kategorien sind in der schändlichsten Verwirrung.
Kürzlich konnte man die dubiose Ankündigung einer dubiosen politischen Diskussion im Internet lesen, in der praktisch jedes Wort eine Phrase ist. Als Thema war angekündigt: „Islamistischer Extremismus. Zwischen rechter Instrumentalisierung und linkem Schweigen. Können wir keine Islamismus-Kritik?“ (Fritz 4/2021).
Die Wörterbücher definieren „instrumentalisieren“ in einer einfachen Bedeutung: (1) „als Instrument benutzen“, d.h. etwas wird als Instrument benutzt; dann in einer erweiterten Bedeutung: (2) „für seine Zwecke als Instrument benutzen“, was durchaus als neutrale Definition gemeint ist. Denn jedermann, jeder Wissenschaftler, benutzt zum Beispiel bestimmte Argumente als Instrument, als Mittel, um eine Behauptung zu beweisen.
Weder im Duden noch im Wahrig ist dagegen die im politisch-ideologischen Kontext meist gemeinte polemische oder pejorative Bedeutung des Wortes zu finden: (3) „etwas für seine Zwecke als Instrument mißbrauchen“.
Bei dem pejorativen Gebrauch des Wortes geht es um eine Redesituation, die folgende Elemente enthält:
1. ein skandalöses Ereignis, das an sich wegen der Verletzung der Menschenrechte kritisiert werde müßte
2. eine Partei, die diesen allgemein geächteten Vorfall benutzt, um für ihre partikularen Interessen zu werben
3. eine Gegenpartei, die das parteiische Verhalten jener Partei verurteilt
4. die Gegenpartei unterläßt in der Kritik des Gegners die an sich geforderte Verurteilung des skandalösen Ereignisses
5. damit folgt die Gegenpartei aber selbst nur ihrem eigenen Parteiinteresse, d.h. sie verhält sich genau so wie die kritisierte Partei
6. vor allem aber übersieht sie, daß die pejorativ gemeinte Instrumentalisierung eines skandalösen Ereignisses nur möglich ist, wenn dieses Ereignis tatsächlich stattgefunden hat.
Fazit der logischen Analyse der Begriffsverwendung:
Der pejorative Vorwurf der Instrumentalisierung lautet, daß ein Unrecht, das nach der universal geltenden Moral zu verurteilen ist, von einem politischen Akteur für partikulare Zwecke mißbraucht wird. Der Kritiker dieser Instrumentalisierung läuft aber Gefahr, selbst auch nur seine eigenen partikularen Interessen zu verfolgen, wenn er nicht zuerst jenes Unrecht ausdrücklich verurteilt.
Gegenüber der öffentlichen Meinung anfangs dieses Jahrhunderts kann man immerhin einen gewissen Fortschritt in der Frage der Islamkritik feststellen. Im September 2006, als es noch keinen Islamischen Staat gab, wurde ein gewisser Joseph Ratzinger, auch Benedikt XVI. genannt, der religiösen Intoleranz beschuldigt, weil er in einer Vorlesung nachgewiesen hat, daß im Islam das Problem religiös motivierter Gewalt bis heute ungelöst sei. Auch verbot damals eine Moderatorin des Deutschlandfunks ihren Gästen ausdrücklich den Gebrauch des Wortes „Islamismus“ in der Diskussion. Sie meinte naiverweise, durch das Wort würden alle Muslime beleidigt. Kurzum, die Ignoranz der Politiker und Journalisten unseres Landes in Sachen des Islam war damals umfassend (c.f. zur Botschaft des Korans, der unlöslichen Einheit von Religion und Staat).
Die vorliegende Ankündigung einer Diskussion über die Frage, wie eine Kritik des Islamismus aussehen müßte, hat aber längst noch nicht den Zustand der nüchternen, objektiven Abwägung erreicht. So scheint sie nur an eine Verurteilung des Islamismus zu denken, nicht jedoch eine Kritik des Islam für möglich und gerechtfertigt zu halten. Man wirft der extremen Rechten vor, „die Opfer islamistischer Gewalt für ihre Zwecke zu instrumantalisieren, um ihre migrationsfeindliche und (antimuslimische) rassistische Agenda voranzutreiben“.
Mit diesen Formulierungen wird insinuiert, daß eine Kritik des Islam gleichbedeutend sei mit Antimuslimismus. Das Wort hat noch keinen Eingang in unsere Wörterbücher gefunden. Es soll — wohl in Analogie zu Antijudaismus — die ideologische Feindschaft gegen die Gesamtheit der Muslime bedeuten. Um die Verwirrung voll zu machen, wird diese Ideologie mit dem Rassismus verbunden, ein religionskritischer Begriff wird mit einem biologistischen Begriff gekoppelt. — Ungeklärt bleibt, wie die Kritik des Islamismus von der Kritik des Islam zu unterscheiden sei. Denn die islamistischen Verbrecher berufen sich für ihre Taten ja auf den Koran und behaupten, die wahren Moslems zu sein.
Der Verfasser dieser Ankündigung scheint nicht das geringste von der Geschichte der Islamkritik zu wissen, die in Voltaire und Schopenhauer durchaus respektable Fürsprecher hatte. Wer die islamische Religion, den Koran und seine Gläubigen, vom religionskritischen Standpunkt der Aufklärung aus beurteilt, befindet sich also in bester Gesellschaft.
Zu beachten ist sodann der feine Unterschied, daß im vorliegenden Fall, genau genommen, nicht die Instrumentalisierung an sich das Ärgernis ist, vielmehr sind die üblen Zwecke das Ärgernis, für die die islamistischen Untaten mißbraucht werden. Würde eine Partei die Flüchtlingsströme als Mittel dafür benutzen, um die sozialen Ursachen der Flüchtlingsbewegung zu bekämpfen, würde kein Mensch diese Art der Instrumentalisierung kritisieren.
Auch ist der Vorwurf tendenziös formuliert. Denn die politische Rechte instrumentalisiert direkt ja nicht die Opfer islamistischer Gewalt, sondern diese Gewalt selbst, die Verbrechen der Islamisten. Die Rede zeigt, daß es hier nicht um eine sachliche Diskussion geht, sondern um ein reines Parteien-Palaver. Diese Annahme wird durch das folgende bestätigt.
Denn ebenso wichtig wie das Problem der sachgerechten Islam-Kritik ist der merkwürdige Punkt, daß mit der extremen Rechten, die der billigen Instrumentalisierung islamistischer Untaten beschuldigt wird, hier offensichtlich doch wohl auch, wenn nicht in erster Linie, die AfD gemeint ist. Die hier von Vertretern linker Parteien vorgetragene Polemik dient also wesentlich auch der Abgrenzung von der AfD. Das heißt aber nichts anderes, als daß diese Partei im Feld der gegenwärtigen Politik zum feststehenden Pol geworden ist, an dem sich die anderen Parteien orientieren. Indem sie sich definitorisch auf diesen Pol beziehen, erfährt die AfD eine ungeahnte formale Aufwertung.
Dies aber ist nur möglich, weil diese Partei ein klar umrissenes politisches Programm hat, während ihre Konkurrenten durch eine programmatische Verschwommenheit charakterisiert sind, die sie praktisch austauschbar macht, auch deshalb, weil sie in der Gegnerschaft zur AfD geeint sind.
Es ist ein schlechter Witz, ein Akt der Volksverdummung, wenn heute ein Funktionär der Schröder-Partei, die den stärksten Sozialabbau in der Geschichte der Bundesrepublik durchgeführt hat, sich, wie in der Ankündigung zitiert, als Vertreter der politischen Linken ausgibt! Was sich hier politisch links nennt, hat mit dem historischen Programm einer radikalen Sozialpolitik nichts mehr zu tun; „politisch links“ ist nicht mehr als ein Synonym für „politisch korrekt“.
Dies aber ist eine Ideologie des Konformismus, des Denkverbots und der geistigen Gleichschaltung, die durchaus ihre Tücken hat. Sie verbietet den überlegten sachlichen Sprachgebrauch, sie unterscheidet nicht zwischen dem direkten Gebrauch eines Wortes und dem Zitat eines Wortes. Wer von Rasse spricht, wird als Rassist bezeichnet. Wer von Volk spricht, wird völkischer Gesinnung verdächtigt. Man vermeidet die unschuldige „Völkerkunde“ und ersetzt sie durch die „Ethnologie“, was dasselbe auf griechisch bedeutet, also eine ideologisch bedingte kosmetische Korrektur ist. Wer von Ausländern spricht, gilt als fremdenfeindlich (cf. Über "Ausländer", ein verpöntes Wort). Sprachlich unsensibel wie sie sind, sprechen die politisch Korrekten beschönigend von "Migration", auf deutsch: von Wanderung, wo Flucht gemeint ist. Wer nicht bedauert oder nicht darunter leidet, ein Deutscher zu sein, gilt als Nationalist.
Politisch korrektes Denken ist Denken in falschen Alternativen, nach dem Muster: „nationale Selbstverleugnung“ versus „militanter Nationalismus“. Daß es auch eine vernünftige Mitte geben könnte, nämlich die Sympathie für das Land, in dem man geboren wurde, kommt diesen Leutchen nicht in den Sinn. Übrigens bleibt diese patriotische Gesinnung auch dann erhalten, wenn man in ein anderes Land auswandert — siehe die in Deutschlands Mitte lebenden Ausländer oder die im Ausland lebenden Deutschen. Dieser Gefühlslage soll übrigens die Idee der doppelten Staatsbürgerschaft gerecht werden.
Wer aber als Parteifunktionär zum Beispiel die AfD deshalb kritisiert, weil sie den Anspruch erhebt, die Interessen Deutschlands zu vertreten, setzt sich dem Verdacht aus, daß er nicht die Interessen der deutschen Bevölkerung vertritt — mit welchem Eingeständnis man gewiß keine Wahl gewinnen kann.
Werden die Regierungen aber nicht in der Hauptsache deshalb gewählt, um die Interessen der Bürger ihres eigenen Landes zu vertreten? Und ist diese Aufgabe denn an sich ein nationalistisches Ansinnen im schlechten Sinne? Gehört man denn zur extremen Rechten, wenn man dafür hält, daß es berechtigte Interessen der eigenen Nation gibt? Gibt es denn nicht Stufen und Grade politischer Interessen, primäre und sekundäre Aufgaben, um die sich eine Regierung zu kümmern hat?
Man wird nicht sagen können, daß die Ankündiger jener politischen Diskussion, goethisch gesprochen, den rechten Sinn gefunden hätten, diese Fragen zu erwidern. Ein rechter Sinn ist aber keineswegs ein politisch rechter Sinn, wie die politisch Korrekten wohl meinen könnten.